Der Titel der neuen Publikation von Herbert Witte lässt an einen Roman denken. Aber diese wissenschaftliche Arbeit hat nichts mit Prosa zu tun, sondern führt uns zurück in die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges. Wieder einmal geht es um die Kampfhandlungen in einem Raum, der sich wie ein Schlauch von Anhalt im Süden bis nach Potsdam im Norden zog. Begrenzt von der Reichsautobahn 9 im Osten und der Mulde bzw. der Elbe.
In seiner neuen Publikation geht es Herbert Witte aber nicht um die Kämpfe in diesem Gebiet. Sondern im Mittelpunkt stehen Menschen, die sich aufopferungsvoll, oft ohne Rücksicht auf die eigene Person, um die Opfer dieses mörderischen Krieges gekümmert haben. Zunächst blickt der Autor auf die militärische Lage Ende April 1945.
Die Westfront, in der die amerikanischen Truppen dominierten, hatte sich bis an die Elbe herangeschoben. Im Osten stießen zwei Fronten der Roten Armee auf Berlin vor und waren im Begriff, die Reichshauptstadt einzuschließen. Zwischen den beiden Fronten operierte die neu aufgestellte 12. Armee der Wehrmacht, besser bekannt als „Armee Wenck“. Die Armee Wenck sollte als Hitlers letztes Aufgebot in Richtung Berlin marschieren, die Einkesselung der Hauptstadt verhindern und in letzter Minute Hitler und seine Gefolgschaft freikämpfen. Wenck ließ jedoch die Rote Armee im Raum Beelitz-Potsdam angreifen, um die zurückflutende 9. Armee und eine große Zahl von Flüchtlingen vor sowjetischer Gefangenschaft zu retten. Nach den Kampfaktionen bewegte sich die Armee Wenck in Richtung Elbe, um bei Tangermünde in amerikanische Kriegsgefangenschaft zu gehen.
In dem Dunkel des Grauens und der Hoffnungslosigkeit der letzten Kriegstage gibt es die „hellen Funken“, Menschen, die sich um die Kriegsopfer kümmern und viele retten. Am Beispiel der Diakonieschwester Ruth Schwarz zeigt der Autor, wie Krankenschwestern und Ärzte im Beelitzer Lazarett Kranke und Verwundete abtransportieren. Mit Hilfe der Soldaten der Armee Wenck werden Transporte organisiert und die Kriegsopfer evakuiert. Auch eine Delegation des Internationalen Komitees vom Kreuz (IRK) hält sich im Kriegsgebiet auf und versucht Menschen zu retten. Der emeritierte Chirurgieprofessor August Bier war als Flüchtling nach Beelitz gekommen. Die Militärärztin Irina Gorinewskaja, seine ehemalige Studentin, erkennt ihn und gemeinsam sorgen sie für einen menschlicheren Umgang mit den Kranken. Sie alle setzen sich für die Menschlichkeit ein und wachsen über sich hinaus. Sie können nicht alle Leiden, aber vielleicht die schlimmsten, verhindern.
Wie schon in „Zwei Tage im April“ hat Herbert Witte seine Publikation mit äußerster Akribie verfasst.

Verladung eines Verwundeten durch amerikanische und deutsche Sanitätssoldaten.
Quelle: “Helle Funken in schwarzer Nacht”, S. 52
Er leuchtet das Thema bis in die letzten Facetten aus und erklärt mit sehr vielen Fußnoten jeden Fakt und jedes Fremdwort. Selbstverständlich fehlen auch nicht die Quellen-, Abkürzungs- und Abbildungsverzeichnisse. Hier merkt man den Naturwissenschaftler, der den Leser mitnimmt und bis in die Tiefe des Themas vordringt. Sicher dient das nicht immer dem Lesefluss, aber es ist notwendig, um die Erkenntnisse abzusichern. Herbert Witte bleibt trotzdem verständlich und er setzt keine wissenschaftlichen Kenntnisse voraus. Somit kann jedem, der sich für die historischen Ereignisse am Ende des Zweiten Weltkrieges in der Region Anhalt/Brandenburg interessiert, diese Arbeit empfohlen werden.
Die Publikation „Helle Funken in schwarzer Nacht“, Ein kollektives Erinnerungsprotokoll über humanitäres Handeln am Ende des 2. Weltkrieges, ist in der Digitalen Bibliothek Thüringen erschienen und unter diesem Link
Helle Funken in schwarzer Nacht,
im Internet abrufbar.
Lothar Jeschke

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