Der Anhalt-Schreiber
Geschichten zwischen Harz und Fläming |
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Der Mägdesprung: Frau mit großen
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Anhalt ist sagenhaft. Das meinen nicht nur Touristen und Besucher
der vielen Sehenswürdigkeiten im kleinen Land, sondern auch all jene,
die zuhören, wenn Geschichten, Märchen und Legenden aus Anhalt erzählt
werden. Zu den bekanntesten gehört, was sich einst im anhaltischen Harz
zugetragen hat. |
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Zwischen
Ballenstedt und Harzgerode, wo das Selketal am tiefsten und die Felsen
rechts und links am steilsten sind, da ist auf einem Felsen eine
Vertiefung im Gestein zu sehen, die einige Ähnlichkeit mit dem
Fußabdruck eines Menschen hat.
In grauen Vorzeiten ging nämlich eine Riesentochter auf dem Rücken des
Harzes spazieren. Da erblickte sie eine Freundin, die ihr von der Spitze
des Rammberges winkte. Lange stand sie zögernd, denn ihren Standort und
den nächsten Berggipfel trennte das tiefe Tal der Selke. Ihres Zögerns
wegen lachte ein Knecht des Menschenvolks, das schon damals die |
Anhalt-Gegend bewohnte, und der bei Harzgerode pflügte. „Sie ist so
groß und wagt den Sprung nicht“ rief er höhnend. Die Riesin hörte dies,
streckte ihre Hand aus und hob den Knecht samt Pflug und Pferden in die
Höhe, nahm alles zusammen in ihren Rockschoß und sprang damit über das
Selketal hinweg. Hier setzte sie den erschrockenen Knecht samt
Ackergerät nieder. Doch hatte ihr Riesenfuß einen Abdruck im harten
Felsgestein hinterlassen, der noch heute und für alle Zeiten von ihrem
gewaltigen Sprung kündet. |
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Die Überlieferung aus dem anhaltischen
Volksmund fand im 19. Jahrhundert ihre Niederschrift bei den Sammlern
von Märchen und Sagen. So veröffentlichten die Brüder Grimm die
Geschichte vom Mägdesprung erstmals 1816. Aber auch die frühe
Reiseliteratur, wie das 1847 erscheinende „Handbuch für Reisende in
Deutschland“, versäumte nicht, auf diese Begebenheit hinzuweisen. |
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Und auch in der bildenden Kunst fanden Anhalts
Riesenfuß und der gleichnamige Ort etwa zeitgleich Einlass. Bedeutende
Künstler wie Ludwig Richter oder Christian Gottlieb Hammer schufen
Abbildungen der romantischen Ortslage. Die mit Abstand größte Auflage
jedoch erzielte die abgebildete Postkarte, die den wagemutigen Sprung
des Riesenmädchens zeigt. Wohl in den 1890er Jahren erstmals erschienen,
wurde die Karte über mehrere Jahrzehnte neu aufgelegt. Die letztendlich
produzierte Anzahl dürfte mehrere Zehntausend umfassen. |
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Die wahre Ursache des steingewordenen
Fußabdrucks ist indes unbekannt. Für die einen ist es eine
vorchristliche Opferstelle, für andere, eher nüchterne Zeitgenossen,
eine Laune der Natur. |
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