Zerbster Veranstaltungsbericht März 2016 Pfeil Retour
  Memento mori! Gedenke des Todes!  
Zur Geschichte der Feuerbestattung im Land Anhalt und in der Stadt Zerbst
  Am Mittwoch, 16. März 2016, 19:00 Uhr im Museum der Stadt Zerbst/Anhalt  
       
  Am 16. März 2016 lud die Regionalgruppe Zerbst des Vereins für Anhaltische Landeskunde (VAL) in das Museum der Stadt Zerbst, wo Margot Schoch ihre Forschungsergebnisse „Zur Geschichte der Feuerbestattung im Land Anhalt und in der Stadt Zerbst“ präsentierte. Erstaunliches förderte die Referentin aufgrund ihrer sehr detaillierten Recherchen zutage.  
  Das Tor zum Gelände des Francisceum ZerbstDas Zerbster Stadtmuseum im Francisceum  
Das Tor zum Gelände des Francisceums Zerbst Neben dem Gebäude des Festsaales das Stadtmuseum
  Zunächst verriet Margot Schoch, wie es dazu kam,
sich mit der Thematik der Feuerbestattung genauer zu beschäftigen.
 
Der Dessauer Urnenhain wird auf Initiative der Mitglieder der Regionalgruppe Dessau des VAL seit etwa drei Jahren rekultiviert, diese Arbeiten übernehmen größtenteils die Männer, während die Frauen, so auch Margot Schoch, anhand der Belegungsbücher eine Stammdatenbank für diesen Urnenhain anlegten, d.h. sie befassten sich mit den Menschen, die sich für eine Feuerbestattung entschieden hatten.
Feuerbestattungen seien vor allem in Nordeuropa gängige Praxis gewesen bis Karl der Große sie bei Todesstrafe verboten habe, so Margot Schoch.
Dieses Verbot war der damaligen Knappheit an Holz geschuldet, dass in erster Linie für die Scheiterhaufen und den Schiffbau benötigt wurde.
Der Dessauer Urnenhain wird auf Initiative der
Das Franciseum von der Brüderstraße aus gesehen
 Das Francisceum von der Brüderstaße aus gesehen. Der helle Giebel vorn gehört zum Stadtmuseum links daneben dessen Treppenturm. Im Gebäude mit dem großen Giebel befindet sich die Aula des heutigen Gymnasiums Francisceum. Es war von 1582 bis 1798 als Gymnasium illustre Anhalts erste und einzige Universität.
  Mitglieder der Regionalgruppe Dessau des VAL seit etwa drei Jahren rekultiviert, diese Arbeiten übernehmen größtenteils die Männer, während die Frauen, so auch Margot Schoch, anhand der Belegungsbücher eine Stammdatenbank für diesen Urnenhain anlegten, d.h. sie befassten sich mit den Menschen, die sich für eine Feuerbestattung entschieden hatten.
Feuerbestattungen seien vor allem in Nordeuropa gängige Praxis gewesen bis Karl der Große sie bei Todesstrafe verboten habe, so Margot Schoch.
Dieses Verbot war der damaligen Knappheit an Holz geschuldet, dass in erster Linie für die Scheiterhaufen und den Schiffbau benötigt wurde.
Doch nach den Unruhen 1848 begann man wieder überdie Feuerbestattung in der Öffentlichkeit zu diskutieren und am 21. 11.1849 hielt Jacob Ludwig Carl Grimm an der Königlichen Akademie der Wissenschaften Berlin eine Vorlesung Über das Verbrennen von Leichen, was einem Plädoyer für die Feuerbestattung gleichkam. 1873 kam dann auch die erste Apparatur zur Leichenverbrennung auf den Markt, d.h. eine solche wurde auf der Weltausstellung in Wien vorgestellt.
 
  Autorin und Vortragende Margot Schoch
Margot Schoch beim ihrem Vortrag im Museum der Stadt   Zerbst.   Foto: Annegret Mainzer. 
 Im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung
 kam es zur Abwanderung vom Land in die Stadt
 und mit der Zunahme der städtischen Bevölkerung
 gingen die Probleme der Hygiene, Gesundheit und
 der Mangel an Platzkapazitäten auf den
 vorhandenen Friedhöfen einher, was die Diskussion
 um die Vorteile einer Feuerbestattung forcierte.
 Bereits in den 1870er Jahren gründeten sich erste 
 Vereine für Feuerbestattung und 1876 fand in
 Dresden ein Europäischer Kongress für
 Feuerbestattung statt. 
 Die erste Einäscherung fand 1874 in Gotha mit
 Duldung des Landesherrn statt und 1878 wurde dort
 das erste Krematorium gebaut.
 Das stellte sozusagen den ersten Schritt zur
 Legalisierung der Kremation dar, so die Referentin
 Margot Schoch.
  1880 vereinigten sich die regionalen Vereine für Feuerbestattung in einem Dachverband, der eine eigene Zeitschrift Die Flamme herausgab. Der Dachverband dehnte seine Aktivitäten verstärkt auf die deutschen Fürstentümer bzw. Länder aus, die der Feuerbestattung ablehnend gegenüberstanden.
 
     
  Inserat eines Vereins für Feuerbestattungen
Inserat im Anhaltischen Staatsanzeiger vom 18. Oktober 1900 in dem zur Gründung eines Feuerbestattungsvereins     aufgerufen wird.   Quelle: Stadtarchiv Dessau-Roßlau.
 
  Im Anhaltischen Staatsanzeiger in Dessau wird im Oktober 1900 inseriert, dass man die Absicht hege, auch in Dessau einen Verein für Feuerbestattung zu gründen. Die Gründung erfolgte dann am 30. Januar 1901. Erster Vorsitzender war Sanitätsrat Dr. Liebschütz. Im Anhaltischen Staatsanzeiger ist weiter zu lesen, dass auch eine Anzahl Herren aus Zerbst mit dabei gewesen seien.  
  Hauptziele der Vereine für Feuerbestattung bestanden in der Legalisierung der Feuerbestattung und in der Schaffung von Urnenhainen und Krematorien. Die Höhe des Vereinsbeitrages belief sich zu jener Zeit auf vier Mark.   
  Auch der Magistrat der Stadt Dessau sowie Angehörige des Stadtrates und des Anhaltischen Landtages unterstützten das Anliegen des Vereins. Zählte man im Jahr 1901 im Dessauer Verein 108 Mitglieder, so waren es 1905 bereits 191. Versuche einen derartigen Verein in der Stadt Zerbst zu gründen, schlugen zu jener Zeit fehl. Wahrscheinlich aus Gründen der Effizienz vereinigten sich die Vereine Köthen, Bernburg und Harzgerode zu einem Anhaltischen Verbund, dem 1924 etwa 1127 Mitglieder angehörten.   
  Das Dessauer Krematorium im Bau.Vereinsmitglieder nutzten ihre persönlichen Kontakte u.a. zur Anhaltischen Ärztekammer, um für die Feuerbestattung zu werben. Schwieriger war es bei der Geistlichkeit in jenen Tagen. 1905 stand die Geistlichkeit aus der Region Köthen der Feuerbestattung aufgeschlossen gegenüber, wohingegen die Geistlichkeit in Dessau und Zerbst eine ablehnende Haltung einnahm. Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges kam es zur Auflösung des Anhaltischen Verbunds, denn die Nahziele waren erreicht worden: 1906 hatte der Anhaltische Landtag das Gesetz zur Legalisierung der Feuerbestattung beschlossen und 1910 war das Dessauer Krematorium errichtet worden. Jedoch wurde die Feuerbestattung nur unter folgenden Bedingungen gestattet: Erstens der eigene Wille zur Feuerbestattung musste handschriftlich aufgeschrieben sein. Zweitens Kinderleichen (bis 16 Jahre) durften nicht eingeäschert werden. Drittens man benötigte einen Leichenpass von der Polizeibehörde und es musste, viertens, eine Leichenschau zur Verhinderung einer eventuellen Vertuschung von Verbrechen erfolgen. Später wurden diese Bestimmungen etwas gelockert.

In Dessau wurde nachdem der Feuerbestattungsverein gegründet worden war, ein Krematorium in der Heidestraße erbaut und am 18. Mai 1910 eingeweiht.     Quelle: Stadtarchiv Dessau-Roßlau. 
 
   
Mit der Akzeptanz der Feuerbestattung tat sich die Kirche sehr schwer. Zunächst war es den Geistlichen untersagt, an Feuerbestattung teilzunehmen und auch davor und danach die trauernden Angehörigen zu begleiten. Das bedeutete, dass diejenigen, die der Feuerbestattung zugestimmt hatten, den Schwerkriminellen und Selbstmördern, denen auch geistlicher Beistand versagt wird, gleichgestellt wurden. Erst 1921 wurde es evangelischen Geistlichen gestattet, einer Urnenbeisetzung beizuwohnen, die katholische Kirche erlaubte es noch viel später - erst ab dem Jahre 1963. Für zahlreiche andere Glaubensgemeinschaften ist bis zum heutigen Tage die Feuerbestattung keine Option. Nachweislich bei den Angehörigen des jüdischen Glaubens wird es etwas liberaler gehandhabt.
Anhand von genau recherchierten Zahlen konnte die Referentin des Abends Margot Schoch nachweisen, dass schon in den 1920er Jahren Feuerbestattungen preislich viel günstiger als Erdbestattungen waren.
Margot Schoch forschte nicht nur in den Archiven der Stadt Dessau, auch in Zerbst und fand im Archiv von St. Bartholomäi heraus, dass zwischen 1908 - 1920 in Zerbst vier Urnenbeisetzungen stattfanden.
Ihren Vortrag abschließend bemerkte Margot Schoch bezüglich des Dessauer Krematoriums, dass es heute dem Zerfall preisgegeben ist , obwohl es zur Zeit seiner Entstehung das modernste Europas gewesen sei, wovon auch ein Artikel in der Deutschen Bauzeitung von 1911 zeugt.
     
  Lothar Jeschke von der Regionalgruppe Zerbst des VAL dankte Margot Schoch für den bemerkenswert interessanten Einblick, den sie in die Geschichte der Feuerbestattung gewährte und er dankte auch Agnes-Almuth Griesbach, Leiterin des Museums der Stadt Zerbst, für ihre Gastfreundschaft.   
     
  Annegret Mainzer   
       
   Bildbearbeitung und Fotos vom Franciseum: Hans-Jürgen Janik Pfeil Retour