Bernburg
K,arlsplatz 37 –
Von der herzoglichen Kaserne zum Landratssitz |
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Die Geschichte eines markanten
Bernburger Gebäudes
von Joachim Grossert, Bernburg, 29.07.2007 |
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Wochenmarkt, Antikmarkt, Ferienaktionen, Volksfeste, eine Weltzeit- und
eine Sonnenuhr als Treffpunkte, dazu eine Tiefgarage, Cafés und
Restaurants, Grünanlagen, Parkbänke und unablässig Fußgänger, Radfahrer,
ab und an der Citybus und an der Ostflanke ein imposantes
Verwaltungsgebäude – der Karlsplatz ist zweifellos das Zentrum der
Kreisstadt Bernburg an der Saale. Das war nicht immer so. Bis vor ca.
100 Jahren konzentrierte sich das gesellschaftliche Leben wie üblich auf
dem Markt auf der anderen, der linken Seite des Flusses, der die Stadt
stets verband und zugleich trennte. Bernburg konnte sich – topografisch
bedingt – jedoch nur auf der Bergstadtseite ausdehnen. Und das tat sie
dann auch in erheblichem Maße ab 1882, als die Firma Solvay hier die
Soda-Großproduktion aufnahm. |
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Luftbild vom Karlsplatz in der Bernburger Bergstadt (Bildmitte). Das
Landratsamt nimmt die ganze
Ostseite des Karlsplatzes ein. Links
(außerhalb des Bildes) teilt die Saale Tal- und Bergstadt. |
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Aber der Reihe nach.
Das
Ende des Herzogtums Anhalt-Bernburg (1603-1863) war durch die
Kinderlosigkeit des Herzogs Alexander Karl bereits absehbar, als von
1858 bis 1860 am Stadtrand ein Exerzierplatz und eine Kaserne gebaut
wurden. Der Staat errichtete für das II. Bataillon des Anhaltischen
Infanterie-Regiments Nr. 93 ein auffallendes Gebäude im Englischen
Burgenstil (Neo-Tudor) mit mehreren Türmen und Türmchen sowie einer
Vielzahl an Rundbogenfenstern. Bis dahin hatten die Soldaten und
Offiziere in Bürgerquartieren ihre Unterkunft. Bald jedoch „wuchs“ die
Stadt um die Kaserne „herum“ und die exerzierenden Soldaten störten wohl
den Fußgängerstrom auf der neuen Lindenstraße. So bot die Stadt der
Militärbehörde erfolgreich den Martinsplatz als Alternative an und
konnte ab 1890 den Karlsplatz in seiner bis heute erlebbaren Weise
gestalten. |
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Wer
ahnte wohl 1913, als der Militarismus im deutschen Kaiserreich in voller
Blüte stand, dass sich fünf Jahre später die Kasernennutzung am
Karlsplatz von selbst erledigen würde? Jedenfalls hatte die Stadt
bereits 1913 ein Auge auf dieses Gebäude geworfen, denn es wurde
dringend ein neues Rathaus für die expandierende Stadt benötigt. So
beschloss der Stadtrat im Dezember 1920 den Umbau der Kaserne zum
Rathaus. Die Oberleitung dieses Unterfangens, das in der kurzen Zeit
zwischen März und November 1921 abgewickelt wurde, hatte kein geringerer
als der Bürgermeister höchstpersönlich: Friedrich Gothe (1872-1951)
hatte als Architekt und Herzoglicher Bauinspektor u. a. das Bernburger
Friederiken-Lyzeum und die Köthener Martinskirche entworfen. (Außer
Gothe war Stadtbaumeister Ernst Alsleben maßgeblich am Umbau beteiligt.)
Es waren erhebliche Baumaßnahmen nötig: Die vielen kleinen
Rundbogenfenster im Mittelrisalit und im Erdgeschoss wurden durch
Korbbogenfenster ersetzt, ein Sitzungssaal für den Stadtrat über zwei
Etagen wurde gebaut, die horizontale Gliederung der Fassade durch
vertikale Pilaster ersetzt, das Eingangsportal erhielt einen Vorbau (mit
Balkon) u. v. m. Vom alten Rathaus am Markt ließ Gothe ein technisches
Kleinod
in das neue Rathaus umsetzen: die geographisch-astronomische Kunstuhr
des berühmten Uhrmachers Johann Ignaz Fuchs. Sie blieb hier bis nach der
Wende, um heute – aufwändig restauriert – wieder im Rathaus den
Besuchern die Ehrfurcht vor technischem Genie zu lehren.
Noch heute kann man in den Oberlichtern der Ausgänge, in den drei großen
Bleiglasfenstern im Kreistagssaal und in einer steinernen Platte, die
heute im Treppenaufgang zwischen Erdgeschoss und 1. Obergeschoss an den
Umbau erinnert, die Vorliebe Gothes für Sinnsprüche entdecken - als
Beispiel die Inschrift über dem Haupteingang: Klug gehst du hinauf –
klüger kommst du herunter (Man hofft, das gelte auch heute noch!). Gothe
selbst überlies den repräsentativsten Raum des Gebäudes übrigens dem
Standesamt.
Umbau der Kaserne zum Rathaus 1921
(Foto: Franz Schmidt) |
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Ursprüngliche Ausmalung des Ratssaales,
hier nach 1933 –
erhebliche Veränderung 1938
(Foto: Franz Schmidt) |
Re.: Friedrich Gothe, Architekt und Bernburger
Bürgermeister
(Foto mit freundlicher Genehmigung von
Herrn Bernd Gothe)
Der Architekt Fr. K. Gothe war auch für weitere Gebäude in
Bernburg, Köthen
(u. a. die im Jugendstil erbaute Martinskirche!) und Dessau sowie Berlin
verantwortlich. |
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Rathaus
blieb das Gebäude bis 1959 – dann tauschten der Rat der Stadt und der
Rat des Kreises die Verwaltungshäuser. Ein weiterer Umbau zwischen 1977
und 1979 veränderte das Bauwerk unsensibel: die Rundbogenfenster wurden
komplett beseitigt und durch große rechteckige ersetzt, durch den Anbau
von Büros auf der Rückseite verdunkelten sich die Flure, die Fassaden
wurden von jeglichem Schmuck „befreit“ und als Krönung erhielt das Haus
einen entsetzlichen Anstrich.
Das Haus war Schauplatz vieler lokalhistorisch wichtiger Ereignisse.
Erinnert sei nur an die großen sogenannten „Dialoge“ der lokalen
Staats-(ohn)macht mit Tausenden Bürgern im November 1989 vor dem
damaligen Rat des Kreises. Bald darauf zog als erster demokratisch
gewählter Landrat nach 1933 Roland Halang (CDU) als Hausherr ein. Seit
1994 und nun auch im neuen Salzlandkreis ist Ulrich Gerstner (SPD)
Landrat. Während der letzten großen Sanierung 1999 wurden die
erheblichen Mängel der DDR-Zeit beseitigt, ein Fahrstuhl eingebaut und
moderne Büros geschaffen. |
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Einzig die schwere hölzerne
Eingangstür mit seinen Accessoires aus der wilhelminischen Militärwelt
erinnert noch heute an die ursprüngliche Funktion des Bauwerkes als
Kaserne. Was damals zur Niederhaltung der Demokratie errichtet wurde,
dient heute der Demokratie.
PS: Interessant ist der baugeschichtliche Zusammenhang mit dem in
Bernburg als ehemaliges „Coppiheim“ bekannten Gebäudes „schräg
gegenüber“ vom Haus 1 der Kreisverwaltung. Dieses Bauwerk wurde als
Lazarett errichtet. Nach dem I. Weltkrieg erwarb es die Stadt und baute
es zu einem Kinderheim um. Durch Gebäudetausch kam 2007 nun der
Landkreis in den Besitz, und ein erneuter Nutzungszusammenhang deutet
sich an. |
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Luftbild
Landratsamt 2005
Detail der Eingangstür
(Fotos: Joachim Grossert) |
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Bildbearbeitung: Hans-Jürgen Janik |
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