Zerbster Veranstaltungsbericht März 2016 Pfeil Retour
  Das Phänomen der „Totenpfennige“  
     
Charonspfennige - Münzen in Gräbern
Schmuck, Statussymbol
Obolus, Fahrnis
unentdeckte Barschaften
Vortrag mit Lichbildern von Dr. Ulrich Fach, Zerbst/Anhalt
  Am Mittwoch, 7. Dezember 2016, 19:00 Uhr im Museum der Stadt Zerbst/Anhalt  
       
   Nicht selten wird der Ausdruck einen Obolus entrichten gebraucht. Jedoch haben nur wenige von uns Kenntnis über seine ursprüngliche Bedeutung. Darüber sowie über das Phänomen der Totenpfennige gab am 07. Dezember d.J. der Zerbster Numismatiker Dr. Ulrich Fach vor interessiertem Publikum im Museum der Stadt Zerbst fachkundig und detailliert Auskunft. Eingeladen zu diesem Vortragsabend hatte die im September 2015 gegründete Regionalgruppe Zerbst des Vereins für Anhaltische Landskunde (VAL).  
     
  Das Zerbster Stadtmuseum im FrancisceumDas Franciseum von der Brüderstraße aus gesehen  
Das Stadtmuseum (li.) auf dem Gelände des Francisceums (re.). der Giebel an der Straßenfront gehört zum Gebäude des Museums. 
     
  Numismatiker und Referent Dr. Ulrich FachMuseumsleiterin Agnes-Almuth GriesbachNach der Begrüßung durch die Museumsleiterin Agnes-Almuth Griesbach zeigte Referent Dr. Ulrich Fach ein Fresko aus einem florentinischen Palast, das er etwa auf das 16. Jahrhundert datierte. Anhand dieser Wandmalerei erläuterte er sehr detailreich und kompetent die im antiken Griechenland gängige Praxis, den Verstorbenen eine Münze unter die Zunge zu legen. In der damaligen Vorstellung der Menschen konnten die Verstorbenen mit dieser Münze ihren Obolus an den greisen Fährmann Charon entrichten, damit dieser sie sicher über den Fluss Acheron in den Hades, d.h. in das Reich des Todes bringt. Die Legende besagt auch, dass diejenigen, die nicht imstande waren, diesen Obolus zu zahlen, einhundert Jahre am Ufer des Acheron als Schatten herumvegetieren mussten, so die Ausführungen von Dr. Fach. Im antiken
 Griechenland betrug der Wert einer den Verstorbenen beigelegten Münze, auch als Charonspfennig bezeichnet, eine Sechsteldrachme. 
 
 
 
  Von den Römern wurde dieser Brauch des Charonspfennigs übernommen, führte der Referent weiter aus. Allerdings legten die Römer ihren Verstorbenen Goldstücke – sauber gearbeitet und von guter Qualität – bei, so Dr. Fach. Mit dem Erstarken des Christentums wiesen die Charonspfennige auch zunehmend christliche Symbolik auf. Verbreitung fand der Charonspfennig auch im freien Germanien und im Baltikum, wohin dieser Brauch vermutlich durch die Seefahrer gelangte.  
     
Römerschädel mit Charonspfennig, ca. 140 - 144  n. Chr.Dr. Fach ging ebenfalls auf Funde von Charonspfennigen ein, die in Anhalt oder in unmittelbarer Nähe von Anhalt gemacht worden waren. Zuerst nahm er Bezug auf das wahrscheinlich aus dem 4. Jahrhundert nach Christus stammende Fürstengrab bei Gommern. Dort fand man einen Obolus in Form eine Aureus von Trajan und fünf Denare. In Köthen-Geuz wurden ein ottonischer und in Dahlenwarsleben in der Nähe von Wolmirstedt ein karolingischer Denar gefunden. Bei der Öffnung der Grabstätte von Albrecht dem Bären auf Schloss Ballenstedt kam ein Hochzeitsbrakteat zum Vorschein. Brakteate sind im Gegensatz zu den zweiseitig geprägten Denaren nur einseitig geprägt und auf weichem Untergrund. Dr. Fach verglich sie mit den Aluminium-Deckeln der Milchflaschen zu DDR-Zeiten. In seinem Vortrag verwies Dr. Fach auch auf das Wirken des zeitweise in Nutha tätigen Pastors und Numismatikers Theodor Stenzel (1824-1894), der das Herzogliche Münzkabinett in Dessau betreute und somit die Münzfunde in Anhalt festhielt.


Charonspfennig-Fund (hier ein Dupondius des Antoninus Pius) als Grabbeigabe in einem
römischen Schädel in Spanien (Museo de Prehistoria de Valencia, ca. 140-144 n. Chr.)
Bildquelle: Falconaumanni (Wikipedia CC BY-SA 3.0)
 
  Wertigkeiten in der Römischen Kaiserzeit  
• 1 Aurens (Gold) = 
• 1 Denar
• 1 Sesterz =
25 Denare (Silber)
  4 Sesterze (Messing)

  2 Dupondien (Messing)
• 1 Dupondius =
• 1 As =

• 1 Semis =
2 Asse (Kupfer/Bronze)
2 Semisse (Kupfer/Bronze)
2 Quadrans (Kupfer/Bronze)
   
  Dr. Ulrich Fach und RG-Vorsitzender Zerbst Lothar JeschkeAnhand von Karten illustrierte Dr. Fach die Distribution des Charonspfennigs in Deutschland. Dabei kann konstatiert werden, dass dieser Brauch verstärkt an der Schlei, in der Altmark, im daran angrenzenden niedersächsischen Wendland, aber auch in Mitteldeutschland bis hin nach Schlesien Anwendung fand. In den verschiedenen Regionen wurde der Charonspfenning unterschiedlich bezeichnet als Zehr-, Opfer- oder Reisepfennig.  
Im Anschluss an den sehr informativen Vortrag dankte Lothar Jeschke, Vorsitzender der Regionalgruppe Zerbst des VAL, dem Referenten Dr. Ulrich Fach für dessen Ausführungen und gab kurz einen Ausblick auf das Jahr 2017, dem Refomationsjahr. Dabei verwies er darauf, dass das Museum der Stadt Zerbst als Veranstaltungsort für die Regionalgruppe Zerbst des VAL weiterhin eine Rolle spielen wird.  
 
   
   
     
     
Annegret Mainzer 
   Bildbearbeitung und Fotos vom Franciseum: Hans-Jürgen Janik          Veranstaltungsfotos: Annegret Mainzer Pfeil Retour