.Köthener Veranstaltungsbericht Februar 2006
Hospitäler und Krankenhäuser in Köthen
in Geschichte und Gegenwart
 
Vortrag von Herrn Dr. Johannes Berndt  
Donnerstag, den 16. 02. 06, 18.00 Uhr in der Hotel „Stadt Köthen“
Gemeinsame Veranstaltung des VAL mit der Kreisvolkshochschule
 
     

Herr Dr. med. Johannes Berndt, langjähriger Chefarzt der Frauenklinik Köthen und von 1996 bis 2002 leitender Chefarzt des Kreiskrankenhauses, bot einen interessanten Rückblick in die Geschichte stationärer Behandlung von Kranken in Köthen.
Einführend erklärte Herr Dr. Berndt, dass er ein Vermächtnis erfülle, indem er die vom einstigen Verwaltungs-direktor des Kreiskrankenhauses Köthen, dem im Jahre 2004 verstorbenen Kurt Hille zusammengestellte Krankenhaus-Chronik weiterführe und an die Öffentlichkeit bringe.

 

Der Referent lieferte einen anschaulichen Abriss der Krankenhausgeschichte unserer Stadt  von den Anfängen des Köthener „Spittels“ auf dem Plan bis hin zum modernsten Kreiskrankenhaus an der Friederikenstraße.
Aus der Köthener Stadtgeschichte Bekanntes wurde geschickt verwoben mit bisher unbekannten Fakten, Archivmaterial und persönlichen Erinnerungen des Vortragenden.

St. Jakob Hospital in der Halleschen Straße, Ecke Bärteichpromenade, 1538 von Fürst Wolfgang von Anhalt-Köthen gegründet, 1824 von G. Bandhauer neu erbaut, 1903 abgebrochen. Bilder Ende 19. Jahrhundert.
Wirtschaftsgebäude des St. Jakob Hospitals Bärteich-promenade, hinten li. der Promenade ist ein Giebelteil des Hospitalgebäudes zu sehen (auch rechtes Bild) Altes Hospitalgebäude Ecke Hallesche Straße/ Bärteich-promenade, abgerochen 1902-04, re.: Wohnung des Gutspächters, li.: Wohnung der Hospitalinsassen
 

 

 

 

 


So war neben dem bislang unerforschten ältesten „Spit-tel“ der Kalands-Brüder die Rede von der Gründung des Neuen Hospitals vor dem Halleschen Tor im Jahre 1538, das 1824 nach einem Brand dem Neubau von Bandhauer Platz machte, bevor dieses wiederum 1903 als „Wolfgangstift“ einen repräsentativen Neubau er-hielt.
Das Spital des Klosters der Barmherzigen Brüder in der Wallstraße versorgte von 1828 (1829 Neubau des Spi-tals) bis 1832 erstmals Kranke aller Konfessionen.
Überhaupt ist es als das erste eigentliche Köthener Krankenhaus anzusehen, waren doch die anderen Ein-richtungen eher dazu geschaffen, verarmte Gemeinde-mitglieder zu versorgen.
Die spannende Geschichte der Homöopathischen Klini-ken von Dr. Arthur Lutze und seinen Nachfahren in der Springstraße sowie die des Dr. Ferdinand Katsch in der Wallstraße dürfte den meisten Zuhörern durch Veröf-fentlichungen der letzten Jahre bekannt sein. Dennoch wurden die Ausführungen über die Machenschaften des „Wunderheilers“ Arthur Lutze wieder einmal mit großem Interesse und Schmunzeln aufgenommen.


Cöthen, die Lutzsche Heilanstalt an der Ecke Spring-/Lange Straße (Postkarte von 1908)


Wallstraße 48, Hofgebäude, Spital des ehe-maligen Klosters der Barmherzigen Brüder, 1832 von Gottfried Bandhauer erbaut (Aufnahme vor 1940)


Das Krankenhaus in der Halleschen Straße, 1859-61 erbaut, 1871 an den Kreis verkauft.
Heute Verwaltungsgebäude des Kreiskran-kenhauses Köthen
 (Aufnahme vor 1940)
 

 

 

 

 



 

 

 

 

 

 

 

Die Spitäler oder Lazarette am Brauhausplatz Nr. 11 und in der Klepziger Straße 20 (Ecke Augustenstraße) waren auf das Sparsamste eingerichtet und wurden im Jahre 1850 als „Herzoglich-Anhaltisches Militär- und Civillazarett“ von Hofrat Dr. med. Allihn geleitet, dem ein Feldscher als „Assistenzarzt“ zur Seite gestellt war. Hervorzuheben ist, dass in dieser Einrichtung keine Geisteskranken, Schwangere und Wöchnerinnen aufgenommen wurden.
Die Unzulänglichkeit der Gebäude und ihrer Ausstattung veranlasste die Stadt zu Planung und Bau eines neuen Krankenhauses. Die erste Planung (Baurat C. C. Hengst) sah ursprünglich vor, das Krankenhaus in der Fasanerie zwischen dem alten Jüdischen Friedhof und dem Siebenbrünnen-Graben zu errichten.
Schließlich wurde jedoch 1861 an der Halleschen Straße das neue städtische Krankenhaus („Gelbes Haus“) eingeweiht.

Interessant war zu hören, dass der Haushaltsplan der neuen Einrichtung auf einem Bogen Papier Platz fand. Zum Abtragen der auf dem Gebäude lastenden Hypothek zahlte der anhaltische Staat einen Zuschuss von 800 Thalern jährlich. Als Gegenleistung mussten zusätzlich Militärpersonen und Einwohner des gesamten Kreises behandelt, sowie am Jahresende Rechenschaft  abgelegt werden über Einnahmen und Ausgaben.
Interessanterweise war dort zu lesen, dass nicht „Patienten behandelt“, sondern „Personen verpflegt“, ganz wenige Alte „versorgt“ und nur eine geringe Zahl an Operationen durchgeführt wurden. Die am häufigsten genannten Krankheiten waren in dieser Zeit chronischer Alkoholismus und Krätze.
Neben den von der Stadt angestellten Ärzten (Jahresgehalt zusammen 270 Thaler) versahen Diakonissinnen hier ihren Dienst, die jedoch der Kirche bzw. dem Diakonischen Werk („Mutterhaus Bethanien“) in Berlin unterstellt waren.
Ab 1873 war Eduard Erdmann Fitzau der leitende Arzt der nun als Kreiskrankenhaus geführten Einrichtung.

 

 

 

 

 

 


Entbindungs- und Kinderheim des „Fürsorge-Zweckverbandes Köthen-Land“ als Anbau am neuen „Isolierhaus“ (Bild links) des Kreiskrankenhauses 1928. Später Augenabteilung des KKH - Abt. West an der Friederikenstraße

Das Krankenhaus erfuhr bauliche Erweiterungen: 1894 mit dem Anbau der Chirurgie am vorhandenen Gebäude (Erweiterung von 50 auf 80 Betten), 1903 mit dem „Isolierhaus“ („Rotes Haus“) für Patienten mit infektiösen Krankheiten, dem „Zwischenbau“ 1912 mit neuem Operationssaal und dem „Grauen Haus“ (ehem. „Neues Isolierhaus“, dann Frauenklinik, Urologie und Augenstation). 1920 erfolgte der Bau der Leichenhalle.
Zur Verwertung der Küchenabfälle wurden im Kranken-haus Schweine gehalten. Noch Ende der 60er Jahre des 20. Jahrhundert fuhr das krankenhauseigene Pferdefuhr-werk mit Kutscher Gappa durch die Köthener Straßen.


Ein Zimmer des Entbindungsheimes. Seine Einrichtung wirkt aus heutiger Sicht eher  „gemütlich“ als professionell.
 

 


Bau der Lazarettbaracken auf  dem Viehmarkt
(Turnhallenplatz) September 1914.

Zum Ende des 2. Weltkrieges war nicht nur das Kreiskrankenhaus Lazarett, son-dern fast alle Köthener Schulen waren dazu umfunktioniert worden.
Freiwillige Helfer aus der Bevölkerung, darunter auch der spätere Schauspieler Erich Franz und dessen Frau, unter-stützten die Angestellten, Sanitäter und Schwestern bei der Versorgung der Verwundeten. Bis zu 1000 Betten wur-den nach dem Ende des Krieges im Kreiskrankenhaus und seinen Außen-stellen gezählt. Vor allem die schlechte Ernährungslage, die Folgen des Krieges und die wachsende Bevölkerungszahl durch Flüchtlinge führten zur Verbreitung von Infektionskrankheiten. Von ehema-ligen KZ-Häftlingen, die eingeliefert worden waren, sind 28 unter den Ver-storbenen registriert worden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Von 1914-1918 stand auf dem Turnhallen-platz das Königlich Preußische Reserve-Lazarett als Barackenlager. Hinter dem Lazarett in der Mitte: die noch heute von der Hochschule genutzte Turnhalle.
Inmitten des Lagers weht am hohen Mast die schwarz-weiß-rote Fahne.  Das Gelände wurde durch die  Fasanerieallee (li.) und die Bernburger Straße (re.) begrenzt .  Aufnahme vom Dach des Polytechnikums.  

 

 

 

 

 



Auch das Dachgeschoß des Marstalls beherbergte ein  Lazarett. Bildausschnitt einer Postkarte von 1918. Vermutlich hat der Absender sich selbst mit X gekennzeichnet.
Insassen und Pflegepersonal des Lazaretts auf dem Viehmarkt zum Gruppenfoto aufgestellt.

Postkarte des Gasthauses „Prinz von Preußen“ (später „Deutsches Haus“) als Lazarett. Das Gebäude an der Straßenfront Hallesche Straße (gegenüber dem Bauernhof  - jetziges Amtsgerichts-Gelände) wurde in den
1960/70er Jahren abgerissen. Der dahinter liegende Saalbau existiert immer noch.
 

 

 

 

 

 

 

Neben der kommunalen Krankenversorgung sind die private Spezialklinik für Chirurgie von Dr. Hans Remertz in der Aribertstraße (ab 1900) und die des Dr. Helmut Scharfe (Klinik für Geburtshilfe und Frauenkrankheiten in der Springstraße Nr. 8; in Köthener Adressbüchern 1904-1937 nachweisbar) zu nennen.

Die Privatklinik von Dr. Julius Jungbluth in der Weintrauben- (Adolf-Hitler-, dann Ernst-Thälmann-Straße) Nr. 12 -später Poliklinik- wird um 1932/33 erstmals erwähnt. Jungbluth hatte bis zu 55 Betten aufzuweisen. In seiner Arbeit wurde er auch von seiner „äußerst attraktiven und charmanten“ Ehefrau unterstützt. Von 1945-1947 be-handelte Jungbluth fast ausschließlich sowjetische Patienten. Mit Hilfe seiner Frau organisierte er seine Flucht in die westliche Besatzungszone mit allem Inventar. Er gründete in Westberlin die Grunewaldklinik und beschäftigte dort von 1950-52 den alternden Prof. Dr. Sauerbruch, dessen Namen er für das Image seiner Klinik benutzte (siehe: Jürgen Thorwald: „Die Entlassung“, München und Zürich 1960!).

 

 

 

 



Die 1936/37 gebaute Fliegertechnische Vorschule für 14-18 jährige Militär-Schüler der
„Junkers-Motoren-Werke Köthen“, nach 1945 Krankenhaus Süd und seit 1998 leer stehend.
 

 

 

 

 

 

Bereits 1945 wurde durch Verfügung des sowjetischen Stadtkom-mandanten die Innere Abteilung des Krankenhauses in die ehemalige Fliegertechnische Vorschule, als Krankenhaus Süd, die Kinder-abteilung in das ehemalige Forschungsinstitut „Steine und Erden“ und spätere Kinderheim an der Siebenbrünnenpromenade verlagert.
Zentrallabor, Krankenhausapotheke, Wachstation, Kindergarten und Kinderkrippe waren Neuerungen in der DDR-Zeit.
1970 wurde die „Einheit Kreiskrankenhaus/Kreispoliklinik Köthen“ gegründet, in der alle medizinischen Einrichtungen des Kreises, mit Ausnahme der Betriebsambulatorien, vereinigt waren.
Die bestehenden Schwierigkeiten bei der Besorgung von Medizintechnik und Ausrüstungsgegenständen überhaupt kompensierte man durch straffe Organisation und Einsatzwillen der Mitarbeiter.


Das „Deutsche Forschungsinstitut für
Steine und Erden“ in der Siebenbrünnenpromenade. Später Kinderheim, nach 1945 Kinder-Krankenhaus, heute nach wesentlichen Erweiterungs- und Neubauten Schule
für geistig Behinderte

 Das erste Sonografie-Gerät besorgte der VEB Förderkran Köthen, um angeblich Schweißnähte damit zu prüfen.
1987 konnte sich das Krankenhaus glücklich schätzen, durch die „Umlenkung“ eines Schul-Typenneubaues ein neues Gebäude für den OP zu bekommen. Mit der politischen Wende stand der Rohbau, den nun ein west-deutsches Architekturbüro in die moderne Frauenklinik umgestaltete.
1998 wurde der Krankenhausneubau an der Friederikenstraße („Blaues Haus“) der Bevölkerung des Landkreises übergeben. Somit sind alle klinischen Einrichtungen wieder an einen Ort zusammengeführt worden. Schmerzlich sind der Verlust der leistungsstarken Kinderabteilung sowie der HNO- und Augenstation und der Urologie.
Nach jahrelanger kommunaler Geschichte der Krankenbetreuung in Köthen und einzelnen Beispielen mehr oder weniger erfolgreicher Privatkliniken am Ort, steht nun der Verkauf des Kreiskrankenhauses bevor. Es bleibt zu hoffen, dass die Privatisierung des Köthener Krankenhauses dennoch eine fachlich kompetente und für die Patienten erschwingliche Behandlung zur Folge haben wird!


Inge Streuber
 
 
S/W-Bilder mit freundlicher Genehmigung des Historischen Museums Köthen.  
Farb-Aufnahme, Bildbearbeitung und -texte: Hans-Jürgen Janik