Nach wie vor aktuell:
Pressemitteilung des Vereins vom 06. April 2023
Zum beabsichtigten Eigentümerwechsel der Gemäldesammlung der Anhaltischen Gemäldegalerie Dessau zur Kulturstiftung Dessau-Wörlitz
In einer Sondersitzung der Regionalgruppe Dessau des Vereins für Anhaltische Landeskunde e.V. wurde zu dem im Koalitionsvertrag beabsichtigten Eigentümerwechsel der Sammlung der Anhaltische Gemäldegalerie Dessau zur Kulturstiftung Dessau-Wörlitz diskutiert, eine Bewertung und Positionierung zur Sachlage vorgenommen.
In einem Offenen Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Dessau-Roßlau Herrn Dr. Robert und Herrn Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei und Kulturminister des Landes Sachsen-Anhalt wurden den Bedenken und der Sorge Ausdruck verliehen, die aus der Sicht der Mitglieder des Vereins für Anhaltische Landeskunde bestehen.
„…in großer Sorge verfolgen wir die Berichterstattung über die Verhandlungen der Stadt mit dem Land über den Verkauf, die Zustiftung oder was es auch immer werden soll an die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. Vor einem solchen, leider auch im Koalitionsvertrag beabsichtigten Eigentümerwechsel möchten wir dringend warnen. Wir müssen ihn ablehnen, denn es würde mehr Probleme als Lösungen schaffen.
Wir meinen, dass es aus Sicht unserer Stadt nur eine Lösung geben kann, den Verbleib der Gemäldegalerie im Eigentum der Stadt Dessau-Roßlau als Rechtsinhaberin und -nachfolgerin des in der Anhaltischen Gemäldegalerie versammelten Vermögens.
Wir dürfen die Gemäldegalerie weder aus der Sicht der Kulturstiftung als Sammlung des Herzogs Leopold Friedrich Franz, noch aus Sicht der Koalitionäre sehen, die der Stadt Untauglichkeit vorwerfen, um sich die Sammlung anzueignen. Wir müssen uns des Themas aus Sicht des Jahres 1927 annehmen. Wie kam es damals zur Gründung einer eigenständigen Galerie als Kunstmuseum?
Etwa ein Viertel des Bestandes wurde damals den Schlossmuseen aus restauratorischen Gründen entnommen. Die traditionelle Präsentation von Gemälden in höfischen Interieurs war zumindest für eine kunsthistorisch orientierte oder kunstpädagogisch ausgerichtete Wahrnehmung alles andere als förderlich. Das galt auch für die der Stadt Dessau zugefallenen Teile aus der Joachim – Ernst – Stiftung, die sich in einem sehr schlechten Zustand befanden. Es stellten sich große restauratorische Fragen, weshalb ein Teil der Sammlungen unter bessere klimatische Bedingungen gebracht werden musste.
Es ist eine große Herausforderung, in einem Schlosse eine Gemäldegalerie zu etablieren. Das war möglicherweise vor über 60 Jahren nicht voll übersehbar, denn anfangs nahm die Galerie zunehmend auch den Charakter eines Schlossmuseums an. Dem half die Generalsanierung von 1970/73 unter Führung von Ingrid Ehlert und Horst Dauer konsequent ab. Es blieb aber eine Gemäldegalerie in einem Schloss, was bei der Inanspruchnahme der Sonderfördermittel des Bundes allen Beteiligten durchaus bewusst war und ist. An der Meisterung dieser Herausforderung sollten sich alle Involvierten trotz des sich unglücklich hinziehenden Zeitraums weiter fördernd und bewilligend beteiligen.
Besonders zu bedenken ist, im Besonderen, dass die Kulturstiftung wegen ihres Stiftungszweckes aktuell gar nicht in der Lage ist die Gemäldegalerie zu übernehmen. Es bedürfte für die Umsetzung der Ziele des Koalitionsvertrages einer Änderung der Stiftungssatzung. Dazu wurde von der Landesregierung noch nichts unternommen, zumindest ist uns diesbezüglich noch nichts bekannt geworden. Und es sollte da auch nicht viel zu erwarten sein, da dies zum einen recht schwierig, zum anderen auch nicht genehmigungsfähig sein dürfte. Der Betrieb und Unterhalt einer Gemäldegalerie wie der von Dessau (Anhalt) widerspricht in großen Teilen dem des Gartenreich Dessau-Wörlitz zugesprochenen Welterbestatus. Von Seiten der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz hat man als Argument für die Übertragung auch die Behauptung gehört, dass sie es dort besser könnten als die Stadt. Die erlebte Praxis der letzten Jahre in der Kulturstiftung lässt daran jedoch stark zweifeln.
Es mag möglich sein, die jüngeren, mit Unterstützung zahlreicher Förderer und Mäzene erworbenen Kunstschätze protokollarisch und notariell der Kulturstiftung unter dem Vorbehalt der bestehenden Eigentumsrechte zuzuführen, was wiederum die Frage aufwirft, ob dieser Aufwand wirklich lohnt. Völlig unmöglich erscheint aber die Überführung der Amalienstiftung in die Kulturstiftung, hatte die wohltätige Stifterin in ihrem Testament von 1772 doch „die Krancken und Armen im Fürstenthum Anhalt Dessauischen Anteils“ als Universalerben ihres „sämmtlichen Vermögens“ eingesetzt. Seit der Auflösung der Stiftung im Jahre 1951 steht die Stadt Dessau (-Roßlau) in dieser Verantwortung, da ihr große Teile des Stiftungsvermögens dabei zufielen, also als ein unveräußerliches Erbe der Prinzessin. Nicht nur deshalb ist „unsere Gemäldegalerie ein einzigartiger Teil der Identität unserer Stadt und ihrer anhaltischen Geschichte, den man nicht einfach verkaufen kann“ (Christian Friedrich von Bülow).
Die Stadt hat mit der großzügigen Förderung des Bundes das Schloss als Teil des Welterbes saniert, was leider immer noch nicht abgeschlossen werden konnte. Alle Förderprogramme sind mit Bindefristen, oft 20 bis 25 Jahre verbunden. Das heißt, selbst das Schloss Georgium ist nicht ohne weiteres aus dem Besitz der Stadt zu entlassen.
Mit der Einführung der Doppik hat die Sammlung eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Finanzkraft der Stadt bekommen. Sie wird ihren Wert im Gegensatz zum Gelde nicht verlieren, sondern eher noch gewinnen. Da die Finanzierungsvorschriften immer strikter werden, wird die Sammlung zunehmend zu einer Kreditierungsbedingung für die Stadt, denn die deutliche Minderung des Eigenkapitals der Stadt, die mit einer Abgabe der Sammlungen verbunden wäre, könnte künftig erhebliche negative Auswirkungen für eventuelle Bedarfe der Stadt auf dem Kapitalmarkt nach sich ziehen.
Enttäuscht sind wir über fehlende Widerworte beim Vorwurf des Landes, die Stadt sei finanziell gar nicht in der Lage die Gemäldegalerie ordentlich und angemessen zu betreiben. Wo bleibt bei diesem Vorwurf die in Artikel 88 Absatz 1 der Landesverfassung zugesagte finanzielle Ausstattung der Kommunen, „die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich“ ist? Leider hat da Dr. Reik Rupietta recht, wenn er feststellt: „Dessau ist das Weimar Sachsen-Anhalts. Aber spiegelt sich dies in den Zuweisungen des Landes wieder? Ich glaube nicht.“ Nur am Rande sei erwähnt, dass das Land Sachsen-Anhalt schon 1948 beschlossen hatte, eine zentrale Landesgalerie in Halle zu errichten, wofür der „Dessauer Fürstenaltar“ schon in die Moritzburg verbracht wurde. Julie Harksens unermüdlichen Einsatzes ist es zu verdanken, dass es nicht dazu kam, denn es hätte zur völligen Auflösung der Anhaltischen Gemäldegalerie mitsamt der Bestände der Amalienstiftung geführt. Vor diesem Hintergrund muss auch vor einer Dauerleihgabe gewarnt werden. „Dauerleihgaben geraten in Vergessenheit,“ warnt Prof. Hermann Seeber zu recht. Auf jeden Fall verlöre die Stadt darauf jedweden Einfluss.
Mit der Übernahme der Gemäldegalerie würde also die Kulturstiftung ihren Stiftungszweck verlassen und damit in alarmierendem Maße ihren Welterbestatus gefährden. Wie wenig das aus der Luft gegriffen zu sein scheint, zeigen die sensibilisierten Diskussionen um den Verlust des Welterbestatus in Dresden (verloren) und Naumburg (angezeigt). Wollen wir dies wirklich ohne besonderen Zwang riskieren?
Klemens Maria Koschig
Vorsitzender des Vereins für Anhaltische Landeskunde e.V.“
Archivale August 2023 in der Abteilung Dessau des Landesarchivs Sachsen-Anhalt:
Johann Sebastian Bachs Abschied von Köthen vor 300 Jahren
Nicht nur Liebhabern der Barockmusik dürfte bekannt sein, dass eine wichtige Lebensstation und Wirkungsstätte des weltweit berühmten Komponisten und Virtuosen Johann Sebastian Bach auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt liegt. Es ist die Kreisstadt Köthen (Anhalt), die stolz den Beinamen „Bachstadt“ trägt. Johann Sebastian Bachs Leben und Werk werden dort durch die „Bachfesttage“ und die Veranstaltungsreihe „Köthener Herbst“ gewürdigt, die abwechselnd im Turnus von zwei Jahren stattfinden. Der diesjährige „14. Köthener Herbst“ wird sich Anfang September Bachs musikalischem Vermächtnis widmen.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war Köthen die Residenz des jungen Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen (1694-1728), für den Musikpflege unabdingbar zur repräsentativen Hofhaltung eines Regenten dazugehörte. Am 5. August 1717 ernannte der Fürst Johann Sebastian Bach, den er ein Jahr zuvor kennengelernt hatte, zu seinem Hofkapellmeister. Dieser stand damals noch in Weimarer Diensten. In Köthen erwartete ihn eine Kapelle mit hervorragenden Musikern, die über ausgezeichnete Instrumente verfügten, was Bachs hohen Ansprüchen entsprach. In der nun folgenden Schaffensperiode komponierte er vor allem weltliche Instrumentalwerke, darunter die „Six Concerts Avec plusieurs Instruments“ („Sechs Konzerte mit mehreren Instrumenten“), die später als „Brandenburgische Konzerte“ berühmt wurden.
Bachs Köthener Zeit endete im Frühjahr 1723 mit seinem Amtsantritt als Kantor der Leipziger Thomasschule. Renommierte Musikwissenschaftler haben sich intensiv mit den Beweggründen befasst, die zu Bachs Weggang aus Köthen führten. Diese sind aufgrund der begrenzten Quellenlage nur unzureichend dokumentiert und können daher teilweise nur vermutet werden. Tatsächlich vergifteten langwierige Streitigkeiten innerhalb des Fürstenhauses und konfessionelle Konflikte zwischen Lutheranern und Reformierten die Atmosphäre am Hof und schränkten in der Folge die finanziellen Mittel des Fürsten ein. Naheliegend ist, dass Bach davon nicht unberührt blieb, dessen Zukunft in Köthen somit infrage gestellt wurde. Angesichts der ungewissen Situation sah er sich wohl gezwungen, nach einer Perspektive für sich und seine Familie zu suchen. Die Welthandelsstadt Leipzig schien ihm neue Möglichkeiten zu eröffnen. Als Thomaskantor konnte er dort seine künstlerischen Ambitionen als Organist weiterverfolgen, was in Köthen nur bedingt möglich war.
Mit einem offiziellen Schreiben vom 13. April 1723 entließ ihn Fürst Leopold aus seinen Diensten. Darin bescheinigte er, dass er mit Bachs „Verrichtungen“ als Hofkapellmeister „jeder Zeit wohl zu frieden gewesen“ sei und er ihn „zu anderweiten Diensten bestens“ empfehlen wolle. Das erhalten gebliebene Konzept des Entlassungs- und Empfehlungsschreibens ist als Archivale des Monats August im Archivverbund Dessau (Alter Wasserturm) in der Heidestraße 21 zu sehen.
Ein Besuch lohnt sich gleich doppelt. Denn gleichzeitig wird dort noch bis zum 29. August 2023, mittwochs 10-17 Uhr und donnerstags 10-19 Uhr, die Jubiläumsausstellung „Von der geheimen Kanzlei zum modernen Informationsdienstleister – 150 Jahre Anhaltisches Staatsarchiv“ gezeigt. An allen Wochentagen werden Führungen für Gruppen ab 8 Personen nach Voranmeldung unter der Telefonnummer 0340/519896-40 angeboten.
(Quelle der Abbildung: LASA, Z 70, A 10 Nr. 16 Bd. 3)

Archivale Juni 2023 in der Abteilung Dessau des Landesarchivs Sachsen-Anhalt:
Der 17. Juni 1953 im Bezirk der Reichsbahndirektion Halle
Am 17. Juni 2023 jährt sich zum 60. Mal der Tag, an dem die Unzufriedenheit bei großen Teilen der Bevölkerung in der DDR in einem Volksaufstand mündete. Hunderttausende Menschen demonstrierten gegen die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Land. Der bei Streiks und Massendemonstrationen größtenteils friedlich vorgetragene Protest wurde von der Staatsgewalt und dem sowjetischen Militär niedergeschlagen.
Als Archivale des Monats erinnert eine bei der Polit-Abteilung der Reichsbahndirektion Halle angelegte „Akte 17. Juni 53“ an die Ereignisse dieses geschichtsträchtigen Tages und die daraufhin eingeleiteten Maßnahmen. Anhand zweier Situationsberichte wird die Stimmungslage der Bevölkerung in den Tagen vor dem 17. Juni nach den Beschlüssen des Politbüros der SED, die Hilflosigkeit der Parteifunktionäre vor Ort angesichts der sich zuspitzenden Situation sowie die teils explosive Stimmung bei Eisenbahnern in Roßlau, Dessau und Wittenberg sichtbar.
In bestem Parteifunktionärs-Deutsch werden im Bericht der Industriegewerkschaft Eisenbahn (Bezirksvorstand Halle) die breit gefächerten Forderungen der Eisenbahner aufgeführt. Diese reichen von der Abstellung konkreter Missstände vor Ort – etwa dem Einbau einer Wasserleitung im Aufenthaltsgebäude im Bahnhof Roßlau oder der Zuteilung von Arbeitsschutzkleidung in Wittenberg – bis zu gesamtpolitischen Forderungen wie Freilassung aller Verhafteten, Erhöhung der Renten und Abschaffung der Handelsorganisation HO im Reichbahnausbesserungswerk Dessau.
Die teils chaotische Informationslage wird im Schreiben eines Parteigenossen des Personenbahnhofs Halle deutlich. „Aus drittem Munde“ – was wohl gerüchteweise bedeuten soll – heißt es, Walter Ulbricht habe sich erschossen. Gerade hier wüsste man heute gern mehr darüber, wer solche Gerüchte in Umlauf brachte, wie schnell und weit sie sich verbreiteten und wie sie auf die Zeitgenossen gewirkt haben. Immerhin war dieses Gerücht dem Verfasser des Schreibens an die Polit-Abteilung wichtig genug, dass er es, wenn auch merkwürdig unkommentiert, in seinen Bericht aufnahm.
Bildnachweis: LASA, G 12. A, Nr. 4227
