Köthener Veranstaltungsbericht August 2009
Exkursion nach Gnetsch  
mit Führungen in Prosigk, Gnetsch und Weißandt-Gölzau  
Treff am Sonnabend, den 22. 08. 2009, 18.00 Uhr, Ortseingang Prosigk
 
 
 
Anhalt ist reich an Kunstdenkmalen und diese wollen erkundet werden. Eine Exkursion in das südliche Anhalt - Köthen unternahmen einige Mitglieder des Vereins für Anhaltische Landeskunde (Regionalgruppe Köthen) per Drahtesel. Über Prosigk, Fernsdorf, Gnetsch bis nach Weißandt-Gölzau führte die Rad-wanderung auf den Spuren anhaltischer Geschichte und denkmalgeschützter Gebäude. Kirchen aus fast allen Stilepochen gibt es auch im ländlichen Anhalt zu bestaunen. Gerhard Hildebrand, der sich bestens in der Gegend auskennt, führte die Landeskundler sachkundig zu den einzelnen Stationen. Das Grab des Ornithologen Naumann, die Bandhauer Bauten in Fernsdorf und Weißandt-Gölzau, die Kirchen in Prosigk, Gnetsch und Weißandt-Gölzau und auch die dortige Schlossruine waren die Objekte der Begierde für die Radler.  Prossigk, Grab Johann Friedrich Naumann
Prosigk, das Grab Johann Friedrich Naumanns, des Begründers der wissenschaftlichen Ornithologie in Mitteleuropa. Sein Grab hat für jeden Ornithologen Kultstatus.
 
Kirche Prosigk, Turm   Kirche Prosigk, Portal
Die Kirche in Prosigk. Auf deren alten, idyllischen Friedhof  befindet sich das Grab J. F. Naumanns und seiner Frau Marie Juliane
 
Exkursionsteilnehmer in der Kirche Prosigk 
Die Exkursionsteilnehmer besichtigen den Innenraum der Prosigker Kirche




 
Für die Besichtigung der Bandhauer-Scheune in Ferns-dorf verschob der Besitzer sogar sein wohlverdientes Mittagsmahl. Es tat gut zu sehen, dass es auch auf dem Land Enthusiasten gibt, die viel dafür tun und geben, um die Bauten ihrer Vorfahren vor dem Verfall zu bewahren. Dies gelingt natürlich nicht immer, aber das ist ja in den großen Städten Anhalts nicht anders. Die 1909/10 vom Bauinspektor Friedrich Gothe erbaute kleine Kirche in Gnetsch ist ein Baudenkmal ihrer Zeit und durch großzügige Sponsoren und viel Engagement der Bürger zu großen Teilen saniert.
Die baulichen Anlagen der riesigen Rittergüter und sonstigen herrschaftlichen Agrarbetriebe, aus denen die einstigen Anhaltiner die Mittel für ihre Hofhaltung zogen, fielen auch in der besuchten Region größten Teils der sozialistischen Umstrukturierung der Landwirtschaft in der DDR und/oder dem Verfall zum Opfer.
Heute klafft die Schere zwischen Aufwand und Nutzen viel zu weit auseinander, um bereitwillige, solvente Geldgeber für die Restaurierung dieser das einstige Ortsbild prägenden Bauten zu finden. In Weißandt-Gölzau zum Beispiel steht einzig noch das im privaten Auftrag von Bandhauer im Jahre 1829 umgebaute Herrenhaus des einstigen Veltheimschen Gutes, auf einem riesigen vom Bauschutt befreiten Platz. Anders sieht es in der dortigen romanischen St.-Germanus-Kirche aus.
Bandhauer-Scheune Fernsdorf
Scheune in Fernsdorf – sie ist geprägt von Gottfried Bandhauers kräftiger, spätklassizistischer Formen-sprache. Zu finden auch am Köthener Schloss (Ferdinandsbau und Reithalle).
Ruinöse Kirche in Fernsdorf
Im Gegensatz zur Bandhauer-Scheune scheint man für die Kirche im Dorf keine Verwendung mehr zu haben. 
 

 

 

Kirche Gnetsch  Kirche Gnetsch, Innenraum
Die Kirche in Gnetsch präsentiert sich in restaurierter Außenhaut, innen besteht aber die Gefahr, dass der brök-
kelnde Putz die schönen Jugendstil-Ornamente zerstört
 
Hier hat die Kirchgemeinde sichtbar viele Anstren-gungen unternommen, um das Gotteshaus zu erhalten.
Frau Hänsch, die sich mit der Geschichte der Kirche genau so wie mit dem Spielen der Orgel beschäftigt, lud die Landeskundler zum Tag des offenen Denkmals 2009 zu einem reichhaltigen Programm ein (ein Besuch der Kirche ist wirklich zu empfehlen).
Landeskundler in der St. Germanus Kirche Weißandt-Gölzau
Kirche St. Germanus Weißandt-Gölzau 
Die Kirche St. Germanus in Weißandt-Gölzau
 
Sie macht außen wie innen einen guten und gepflegten Eindruck.    
Epitaph Gerhard Siegfried von Plotho in St. GermanusEpitaph für einen früheren Herren des Dorfes und Rittergutes Weißandt.
Gedacht wird des „Herren Gebhard Siegfrieds, Edler Herr von Plotho, Reichsfreiherr zu Engelmünster, Kurfürstlich Sächsischer Kammerherr und Obrist zu Pferde. Herr über Vive, Rosebeck, Parey, Zerben, Ringfurth, Ihleburg und Weißandt.
Geboren am 8. Oktober 1632 in Parey - gestorben am 31 August 1689 in Hanau.“
Das schmückende Beiwerk von Waffen und Kriegsgerät weist Gebhard Siegfried als verdienstvollen Kriegsmann aus.
Das Wappen des Edlen Herren von Plotho und Reichsfreiherren von Engelmünster ist oben links neben des Portraits erkennbar.
Ein Familienzweig erwarb im 16. Jh. die flandrischen Herrschaften Engelmünster (Ingelmunster), Vive und Rosebeck.
Am 13. September 1643 erhob Kaiser Ferdinand III. den Herren Wolfgang Edler von Plotho in den Reichs-freiherrenstand. Er führte von da an den Titel „Frei-herr von Engelmünster auf Parey und Wilzensandt“. So erschien die Baronie Ingelmunster in Flandern, der Plothosche Stammsitz Parey und das Gut Weißandt im kaiserlichen Adelsdiplom. In ihm wurde auch der alte Herrenstand bestätigt.
Die Plothos waren seit 16. Jahrhundert in Weißandt ansässig. Im Jahr 1751 erwarb dann Graf August von Veltheim-Harbke das Schloss und Rittergut. Die Veltheims, ansässig in Ostrau und Weißandt, blieben bis zu ihrer Enteignung nach 1945 Herren auf beiden Gütern.
 
Wappen der Edlen Herren von Plotho und Reichsfreiherren von Engelmünster   Stammwappen der Edlen Herren von Plotho  Wappen der Grafen und Freiherren von Veltheim  
Li.:  Das Wappen der Freiherren von Engelmünster und Edlen Herren von Plotho an der Fassade der
        Kirche St. Amandus in Ingelmunster, West Flandern, Belgien. Das Herzschild (in Blau ein goldenes
        Hirschhaupt) steht für die Herrschaft Engelmünster.
Mi.: Das Stammwappen der Edlen Herren von Plotho
Re.: Das Wappen der Grafen und Freiherren von Veltheim
 
   
Das Herrenhaus des Gutes Weißandt Die Rückseite des Herrenhauses Gut Weißandt  
Das Herrenhaus des Gutes Weißandt mit der Fassaden-
gestaltung Bandhauers (DDR-Relikt: Portikus mit
Hopfenranken, Ähren, Rüben und Text „LPG 1986“ )
Rückseite des Herrenhaus mit dem für Spätklassizist Bandhauer typischem Mittelrisalit mit Säulen und Halbrundfenster (siehe auch Bild links)  
Schloss Weißandt vor 1945   Luftbild Gutsgelände Weißandt  
Schloss und Rittergut Großweißandt vor 1945. Li: Schloss mit separatem  Turm, Wallanlagen und Burggraben als Rest einer früheren Burganlage.  Re.: Im Luftbild unten ist noch die kreisrunde Fläche der früheren Burg durch den Graben und weiter innen einer Böschung  mit Schloss und Turm erkennbar. In der Bildmitte der große Gutshof mit dem Gutshaus (am oberen Eck) und links dahinter die St. Germanus Kirche  
Burgturmruine Weißandt Ehem. Dorfschule Weißandt-Gölzau - Bandhauerbau  
Das letzte Bauwerk im Schlossbereich - der Stumpf
des Burgturms inmitten eines Biotops aus Bäumen
und Sträuchern
Ein Teil der Exkursionsteilnehmer vor einem
weiteren spätklassizistischen Bandhauer-Bau:
die ehemalige Dorfschule
 
So reichhaltig der Wissenshunger auch gestillt wurde, mit der Versorgung des Radfahrerkörpers mussten die Vereinsmitglieder warten, bis sie wieder in der Kreisstadt einfuhren. Einzig eine am Weg liegende Eisdiele konnte mit kühlen Leckereien die größte Not lindern. Alle anderen angefahrenen Lokale hatten geschlossen oder es gab sie nicht mehr.  
Bernd Westphal    
     
  Fotos: Bernd Westphal                                                    Bildtexte, Wappentext und Bildbearbeitung: Hans-Jürgen Janik