Einband der Publikation

Vorwort

Sehr geehrte Leserinnen und Leser, liebe Vereinsmitglieder, in diesem Jahr war die Herausgabe der Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Landeskunde von besonderen Bedingungen und Herausforderungen begleitet. Das Auftreten des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 und die von diesem ausgehenden Gefahren haben die gewohnten, bewährten und stets von fruchtbarem direktem Austausch begleiteten Zusammenkünfte des Redaktionskollegiums leider unmöglich gemacht. Der Austausch insbesondere zu den zur Veröffentlichung in den Mitteilungen eingereichten Beitragsvorschlägen hat natürlich trotzdem stattgefunden, vor allem auf dem Weg des elektronischen Postverkehrs. Uns so kann ich Ihnen hiermit den 29. Jahrgang der Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Landeskunde in die Hand geben, verbunden mit meinem herzlichen Dank an alle an der Herausgabe Beteiligten. Auf seinen 190 Seiten bietet der 29. Jahrgang der Mitteilungen in neun Beiträgen wieder spannenden und informativen Lesestoff zu unterschiedlichsten Themen der Geschichte und Kultur Anhalts.

Der Band beginnt mit dem Beitrag Auf der Suche nach der „occasion“. Christian I. von Anhalt-Bernburg in Briefen an Anna von Bentheim-Tecklenburg. Autor ist der renommierte Historiker PD Dr. Klaus Deinet, der an der Universität Duisburg-Essen lehrte und forschte, mehrfacher Stipendiat des Deutschen Historischen Instituts in Paris war und heute als Studienrat in Wuppertal lebt. Klaus Deinet hat im Juli 2020 im Kohlhammer Verlag Stuttgart eine Biografie Christians I. von Anhalt-Bernburg unter dem Titel Christian I. von Anhalt-Bernburg (1568-1630). Eine Biographie des Scheiterns vorgelegt. Darin versteht er es, die Persönlichkeit des Fürsten vor dem historischen Hintergrund politischer und konfessioneller Machtkämpfe in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts in anschaulicher Sprache nachzuzeichnen und von der klischeehaften Einordnung der Person des Fürsten zu lösen. Dazu leistet sein in den Mitteilungen veröffentlichter Aufsatz ebenfalls einen gewichtigen Beitrag. Klaus Deinet zeigt, dass Christians Politik einer lebenslangen Suche nach der richtigen

Gelegenheit entsprang, den europaweiten Gegenangriff des tridentinischen Katholizismus einzudämmen und den deutschen Protestantismus dagegen zu wappnen und zu stärken. Die Basis für Deinets Ausführungen bildet die breite Korrespondenz, die Christian I. mit seiner Gemahlin Anna von Bentheim-Tecklenburg führte. Der folgende Beitrag Von Preisen und Löhnen, Krisen und Prosperität: Der Lebensstandard in der Residenzstadt Dessau 1765–1820 von Fabian Schubert (Halle/Saale) vermittelt auf der Höhe aktueller geschichtswissenschaftlicher Diskussionen im Bereich der historischen Statistik neue Erkenntnisse und Ansätze, die für die Erforschung der anhaltischen Geschichte sehr nutzbar sind. Mit einem für die hiesige Forschungslandschaft neuartigen Ansatz untersucht Fabian Schubert anhand der „klassischen“ Faktoren Preis und Lohn den Lebensstandard der Dessauer Bevölkerung während der Regierungszeit des Fürsten Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau. Zudem erweitert der Beitrag deutlich die Grundlagen für eine Vergleichbarkeit des Fürstentums bzw. der Residenzstadt Dessau mit anderen Städten bzw. Regionen in Deutschland und Europa.

Mit der Ernennung des Reichsführers-SS Heinrich Himmler zum „Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern“ am 17. Juni 1936 gab es erstmals eine oberste Reichsbehörde für die gesamte Polizei in Deutschland, mit weit reichenden Folgen für die Polizeistrukturen und Befehlsgewalten in Deutschland, die auch das Land Anhalt betrafen. Die bisher kommunale Dessauer Polizei wurde in eine staatliche Behörde mit einem Polizeipräsidenten an der Spitze umgewandelt. Andreas Schulz (Berlin) fasst in seinem Beitrag Die Polizeipräsidenten in Dessau 1933 bis 1945 die Biografien jener Männer zusammen, die fortan bis zum Kriegsende an der Spitze der staatlichen Polizeiverwaltung in Dessau standen.

Hans-Peter Hinze, Ulla Jablonowski und Lutz Reichhoff (alle Dessau-Roßlau) setzen ihre in den vergangenen Jahrgängen erschienene, interdisziplinär angelegte Beitragsfolge Schwarzes Land, Mönchsholz und Abtei. Waldnutzungsrechte des Fürstentums Anhalt-Köthen im Fürstentum Anhalt-Dessau mit einem Addendum fort, in dem sie diverse nach Redaktionsschluss der jeweiligen Beiträge erlangte neue Erkenntnisse zu den untersuchten Gebieten zusammenfassen. Auch die beiden nachfolgenden Beiträge resultieren aus der intensiven weiteren Beschäftigung mit diesem Thema. In ihrem Beitrag Richterhof oder Adelssitz? Der Wirtschaftshof in Möst und seine Beziehungen zu Anhalt und Dessau korrigiert Ulla Jablonowski aufgrund neuer Forschungsergebnisse die in den Mitteilungen, Jahrgang 28 (2019), geäußerte Vermutung, bei dem am südlichen Ausgang von Möst an herausgehobener Stelle im Gelände liegenden „Wirtschaftshof“ könnte es sich um den Nachfolger eines alten Gerichtshofes handeln, schlägt eine andere Lösung vor und lässt einen Überblick auf die Geschichte des Gutes folgen. Auf neuen Erkenntnissen nach Abschluss der Beitragsreihe Schwarzes Land, Mönchsholz und Abtei beruht auch der Beitrag von Hans-Peter Hinze Sandau, ein bisher unbekannter mittelalterlicher Ort bei Dessau. Die in diesem Beitrag vorgestellte und genau lokalisierte wüste Ortschaft Sandau war bisher in den gedruckten Quellen nicht bekannt.

Der landeskundliche Rundgang von Udo Franz (Dessau-Roßlau) entlang von Anhalts Grenzen in heutiger Zeit findet mit Teil XI: Vom anhaltischen Nordkap zurück zur Elbe seine Fortsetzung. In seinem Beitrag Überraschende Entdeckungen. Meine Großeltern, William Penn und Wörlitz deckt Jens-Peter Green (Oldenburg) anschließend überraschende Verbindungen zwischen Anhalt-Dessau und dem Gründer von Pennsylvania Sir William Penn auf. In seiner Miszelle Paul Stapf (1912-1982) begibt sich Roland Wiermann (Bernburg/Saale) schließlich auf eine biografische Spurensuche nach der sehr ambivalenten Persönlichkeit des Germanisten und kurzzeitigen Bernburger Museumsdirektors Paul Stapf. Drei Rezensionen schließen den Jahrgang 29 der Mitteilungen ab.

In eigener Sache

Nicht nur die Arbeit des Redaktionskollegiums war im zu Ende gehenden Jahr durch die Einschränkungen schwierig, auch das Vereinsleben ist praktisch zum Erliegen gekommen, der Informationsaustausch erschwert gewesen. Deshalb soll es an dieser Stelle noch einige Erläuterungen zu neuen Entwicklungen bei den „Mitteilungen“ geben.

Als Sonderband der „Mitteilungen“ (und gleichzeitig in der Reihe „Veröffentlichungen des Stadtarchivs Dessau-Roßlau“) ist Ende 2019 ein Sammelband unter dem Titel „Bücherwelten der Reformation. Die Bibliothek des Fürsten Georg III. von Anhalt“ erschienen. Im Begleitprogramm zur Ausstellung „Schatzkammer der Reformation. Das UNESCO-Dokumentenerbe im Spiegel der Büchersammlung des Fürsten Georg III. von Anhalt“ fand im Reformationsjahr 2017 in Dessau-Roßlau eine wissenschaftliche Konferenz statt. Der Konferenzband beleuchtet auf 218 Seiten die historische Entwicklung der Fürst-Georg-Bibliothek, ihren ursprünglichen Umfang und deren Zusammensetzung, Fürst Georgs Verhältnis zu und seinen Umgang mit den Büchern, die Bedeutung des UNESCO- Dokumentenerbes (studentische Mitschrift von Luthers Römerbrief-Vorlesung), die Lutherhandschriftensammlung Fürst Georgs, die Erneuerung der Liturgieordnung für den Magdeburger Dom, die geistlichen Schriften der Fürstin Margarethe von Anhalt, Fürst Georgs eigene Forschungen zum Abendmahl, Zeugnisse der lutherischen Kirchenmusik sowie das geistliche Schauspiel im Dienste der Reformation.

Da die Drucklegung des Bandes durch die Stadt Dessau-Roßlau gefördert worden ist, kann er nicht kostenlos an die Mitglieder abgegeben werden. Er ist zum Preis von 19,90 € zuzüglich Porto über wissenschaftliche.bibliothek@dessau-rosslau.de sowie im Stadtarchiv Dessau-Roßlau erhältlich.

Für das erste Quartal 2021 ist das Erscheinen eines weiteren Sonderbandes der Mitteilungen sowie des nächsten Bandes der Bibliographie geplant. Der von der Leipziger Literaturwissenschaftlerin Maria-Verena Leistner bearbeitete und herausgegebene Sonderband stellt unter dem Titel „Dem Geiste Müllers dieses Denkmal“ Quellen und Dokumente zur ersten Werkausgabe Wilhelm Müllers (1794-1827) vor und beleuchtet damit sehr quellennah die Editionsgeschichte der 1830 erschienenen Müller-Ausgabe. Diese beiden Publikationen werden die Vereinsmitglieder wieder in gewohnter Weise erhalten.

Für das Redaktionskollegium
Frank Kreißler

Inhalt

Beiträge

Klaus Deinet (Wuppertal) Auf der Suche nach der „occasion“. Christian I. von Anhalt-Bernburg in Briefen an Anna von Bentheim-Tecklenburg 11
Fabian Schubert, Halle (Saale) Von Preisen und Löhnen, Krisen und Prosperität: Der Lebensstandard in der Residenzstadt Dessau 1765–1820 33
Andreas Schulz (Berlin) Die Polizeipräsidenten in Dessau 1933 bis 1945 65
Hans-Peter Hinze, Ulla Jablonowski und Lutz Reichhoff (alle Dessau-Roßlau) Schwarzes Land, Mönchsholz und Abtei – Waldnutzungsrechte des Fürstentums Anhalt-Köthen im Fürstentum Anhalt-Dessau, Teil 4: Addendum zu den Teilen 1 bis 3 93
Ulla Jablonowski (Dessau-Roßlau) Richterhof oder Adelssitz? Der Wirtschaftshof in Möst und seine Beziehungen zu Anhalt und Dessau 103
Hans-Peter Hinze (Dessau-Roßlau) Sandau, ein bisher unbekannter mittelalterlicher Ort bei Dessau 123
Udo Franz (Dessau-Roßlau) Anhalts Grenzen in heutiger Zeit. Teil XI: Vom anhaltischen Nordkap zurück zur Elbe 133
Jens-Peter Green (Oldenburg) Überraschende Entdeckungen. Meine Großeltern, William Penn und Wörlitz 155
Roland Wiermann, Bernburg (Saale) Paul Stapf (1912-1982) 171

Rezensionen

Rezension von Bernd G. Ulbrich (Wettin-Löbejün, OT Plötz) Christoph Rauch, Gideon Stiening (Hrsg.): Heinrich Friedrich von Diez (1751-1817). Freidenker – Diplomat – Orientkenner 179
Rezension von Lothar Jeschke (Thießen) Herbert Witte: Zwei Tage im April 1945. Die Operation Toast in der Region Anhalt-Zerbst 183
Rezension von Jan Brademann (Dessau-Roßlau) Patrick Wagner/Manfred Hettling (Hg.): Revolutionäre Zeiten zwischen Saale und Elbe. Das heutige Sachsen-Anhalt in den Anfangsjahren der Weimarer Republik 187
Diese Webseite verwendet Cookies. Durch die Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Lesen Sie dazu unsere Datenschutzinformationen