Das Vorhaben " Urnenhain " der Regionalgruppe Dessau des VAL

Der Ehrenfriedhof mit dem Ehrenmal zu Ehren von Gefallenen des 1. und 2. Weltkrieges vom Eingang aus gesehen.

Im Jahr 2013 wurde der Vorsitzende des VAL Prof. Dr. H. Seeber bei einem Besuch des Ehrenfriedhofs in Dessau auf einen rechts neben dem Ehrenmal befindlichen kleinen Friedhof aufmerksam. Dieser befand sich in einem völlig ungepflegten Zustand. Das mußte auf die Besucher des Ehrenfriedhofs bei näherem Umsehen einen schlechten Eindruck hinterlassen.

Die Existenz des Friedhofs unmittelbar hinter dem “Alten” Krematorium war weitgehend unbekannt. Ein Besuch von Prof. Dr. H. Seeber und dem Vors. der RG Dessau des VAL Ralf Rackwitz bei der Leiterin des Friedhofwesens der Stadt Dessau-Roßlau Frau Willfeld brachte erste Erkenntnisse. Es handelt sich um den Urnenhain, der 1910 im Zusammenhang mit dem Bau des 1.Krematoriums eingerichtet wurde. Im Bestand der Unterlagen des Friedhofswesens gab es auch noch Pläne des Urnenhains, der seine Belegung darstellt sowie die “Brennbücher” aus der Zeit der Aufnahme der Tätigkeit des Krematoriums.

Dieses Bild zeigt die Vorderansicht des Krematoriums von der Straße aus gesehen. Unmittelbar dahinter befindet sich der Urnenhain. Zu betreten vom Ehrenfriedhof aus.

Es reifte der Gedanke bei uns, diesen Urnenhain in seiner Struktur Wiedererstehen zu lassen und für Besucher erlebbar zu machen. Schließlich stellt diese Anlage das erste Zeugnis einer neuen Bestattungskultur in Dessau und damit in Anhalt dar. Selbst in Deutschland gehörte sie zu den ersten Begräbnisstätten dieser Art.
Es ging auch darum, den hier Bestatteten wieder einen würdigen Rahmen zu geben.
Da die Pläne der ursprünglichen Anlage vorlagen schien dies möglich. Das Friedhofswesen sagte seine Unterstützung zu. Die Arbeiten durch den VAL sollten auf ehrenamtlicher Basis erfolgen.
Ralf Rackwitz unterbreitete dem Vorstand der Regionalgruppe Dessau diese Überlegungen und der Vorstand stimmte dem Vorhaben zu. Es war klar, dass sich diese Arbeit über Jahre erstrecken würde.
In der Folge wurden Mitstreiter gesucht und gefunden. 15 Mitglieder sagten ihre Teilnahme zu. Sie erhielten vom Eigenbetrieb Stadtpflege der Stadt Dessau-Roßlau, zu dem das Friedhofswesen gehört, Arbeitsverträge. Damit waren die Ehrenamtlichen bei eventuellen Unfällen versichert.

Parallel zu den Arbeiten direkt auf dem Urnenhain erklärte sich das VAL-Mitglied Frau Margot Schoch bereit, die Geschichte der Feuerbestattung in Dessau und Anhalt wissenschaftlich aufzuarbeiten. Zuerst wurden in diesem Zusammenhang die Eintragungen in den “Brennbüchern” des Krematoriums digital aufbereitet und stehen im Stadtarchiv zur Einsicht bereit.
Frau Schoch hat durch immensen Fleiß weitere Erkenntnisse zur Entstehung und Ausbau des Urnenhains ermittelt. So konnte sie den Planer der Anlage feststellen.
Es war der Dessauer Stadtbaurat Wilhelm Schmetzer, Er war von 1909 an 30 Jahre als Stadtbaurat tätig. Er verstarb 1952.

Frau Schoch hat seit 2014 bereits mehrere Vorträge zur Geschichte der Feuerbestattung in Anhalt gehalten.

Sie befaßt sich weiterhin mit den Lebensläufen von Personen, die auf dem Urnenhain bestattet sind. Daraus werden noch interessante Erkenntnisse zu erwarten sein.

In Absprache mit dem Friedhofswesen wurde als erste Arbeit der Urnenhain vom Wildwuchs befreit. Dies übernahmen die Fachkräfte des Friedhofswesens im Winter 2013/2014, denn das war nur mit Motorsägen in der vegetationsfreien Zeit zu bewerkstelligen. Auf dem Foto links sieht das Gelände schon wesentlich lichter aus.
Anschließend erfolgte der erste Großeinsatz durch die Arbeitsgruppe des Vereins. Dabei wurden die angefallenen Baum- und Strauchreste sowie sämtlicher Unrat aufgesammelt und am Rande des Urnenhains abgelagert. Das Friedhofswesen übernahm die Entsorgung dieser Abfälle wie auch alle weiteren Transportarbeiten während der “Bauzeit”.

Durch Recherchen von Vereinsfreund Hans-Joachim Mellies konnte ein Entwurfsplan ausfindig gemacht werden. Möglicherweise vom erwähnten Stadtbaurat Schmetzer. Er zeigt den Grundriß fast identisch mit den Belegungsplänen, die uns vom Friedhofswesen zur Verfügung gestellt wurden.
Anhand dieser Pläne gingen wir daran, die alte Wegestruktur wieder herzustellen.
Gleichzeitig wurden die Grabstellen nach dem Belegungsplan aufgesucht. Meistens wurden dazu die Kennzeichnungssteine mit den Grabstellennummern aufgefunden.
Die vorhandenen Grabsteine oder Denkmäler wurden vom Bewuchs freigelegt und teilweise aus dem Erdreich gehoben. Die auf dem Plan sichtbaren schwarzen Umrahmungen gaben Rätsel auf. Was war das ursprünglich ? Frau Schoch erbrachte durch ihre Zeitungsrecherche im “Anhaltischen Staatsanzeiger” die Lösung.
In einer Zeitungsnotiz vom 13.Mai 1913 wird erwähnt erwähnt, dass sich ein schönes Bild durch die immergrünen Ligusterhecken ergibt, womit die Grabstellen umsäumt sind. Die schwarzen Umrahmungen waren also Ligusterhecken, von denen allerdings nichts übriggeblieben sein konnte.

Offenbar war der Pflegeaufwand für die Ligusterhecken zu groß und sie wurden entfernt. Als Ersatz wurden teilweise Eiben zur Hecke gepflanzt. Diese Eiben waren mittlerweile zu Bäumen ausgewachsen. Da bekannt ist. dass Eiben auf “Stock gesetzt” sehr gut wieder durchtreiben, baten wir die Mitarbeiter des Friedhofswesens die Eiben auf ca. 1m Höhe zurückzuschneiden. Man kann die Stümpfe sehr gut auf obigem Bild erkennen. Es sieht sicher für den Moment recht trostlos aus.

Wie man auf diesem Bild sehen kann, haben die Stümpfe tatsächlich ausgeschlagen. Wir mußten die Triebe mittlerweile schon zurückschneiden. Es wird die Aufgabe folgender Jahre sein, daraus wieder eine Hecke zu formen.

Ein großer Teil der Urnenhaingruppe des VAL im Einsatz. Meist war das Wetter mit im Bunde und nur einmal mußte in 4 Jahren ein Einsatz wegen Regen abgesagt werden. Es wurde in den Monaten März bis Juni und nach einer Urlaubspause wieder von September bis November zweimal im Monat ein Einsatz durchgeführt.
immer abwechselnd ein Freitag- oder Sonnabendvormittag von 9.00 Uhr bis 11.30 Uhr. Damit war keiner der doch schon älteren Herren überfordert. Teilnahme war nicht Pflicht. Wer mal nicht konnte oder wollte blieb auch mal fern. Im Schnitt waren 6-8 Mitglieder anwesend. Die gemeinsame Arbeit schweißten zusammen. Es entwickelte sich eine hervorragende Kameradschaft. Diese wird nun seit 4 Jahren auch privat durch einen Grillabend gefestigt.

Während der Einsätze gab es natürlich auch immer eine willkommene Pause. Frau Petra Rohde hat uns die ganzen Jahre hindurch versorgt mit Kaffee und kleinen Leckereien.
Für diese “ Dienste” wurde sie auf der Jahresversammlung 2019 in Bernburg-Strenzfeld mit dem Ehrenabzeichen des Vereins für Anhaltische Landeskunde ausgezeichnet. Es war für sie eine gelungene freudige Überraschung .

Die folgenden Bilder zeigen die Neuausrichtung der Grabdenkmale

Die Gruppe hatte durchaus auch Schwerstarbeit zu leisten, um die Grabdenkmäler möglichst wieder in die ursprüngliche Lage zu bringen. Zu keiner Zeit hatten wir andere Hilfsmittel als auf den Bildern zu sehen sind. Spaten, Schaufeln, Brechstange und Harken waren vorherrschend. Es war kein Maschineneinsatz möglich, da keine elektrische Energie zur Verfügung stand. Die Wege waren auch so eng, dass kein Fahrzeug auf dem Platz zum Einsatz kommen konnte. Lediglich Schubkarre und Eimer waren die Transportmittel.
Hier wird eine Stele mit aufgesetzter Schmuckurne mit vereinten Kräften neu platziert

Die in die Erde versunkenen Grabsteine sind gehoben und ausgerichtet
Von vornherein war klar, dass wir die umgestürzten Grabdenkmale nicht wieder aufrichten konnten. Das hätte entsprechende Fachkenntnisse und Materialien erfordert. Außerdem hätten wir nicht für den sicheren Stand garantieren können. Es mußte ja leider auch mit erneutem Vandalismus gerechnet werden. Wir platzierten deshalb die Grabmale liegend an der jeweiligen Grabstelle. Diese Methode hat sich bewährt und bietet einen ordentlichen Anblick.

Diese große Grabplatte lag mit der Aufschrift nach unten auf dem Boden. Sie war vom Sockel gestürzt worden. Da die Grabstelle genau am Ende des vom Krematorium herführenden Hauptweges angeordnet lag,vermuteten wir eine Art Gedenkstein für den gesamten Urnenhain.
Nachdem er mit viel Aufwand gewendet war ergab sich, dass es auch ein Grabstein für eine bestattete Urne ist. Der Bestattete wurde als Betriebsingenieur auf dem Grabstein benannt. Gibt es wegen der Große des Grabsteins und des herausgehobenen Platzes einen Zusammenhang mit dem Betrieb des Krematoriums ? Frau Margot Schoch wird es durch ihre Forschungen möglicherweise klären können.

Abschluß der Wiederherstellungsarbeiten auf dem Urnenhain im Jahr 2018


Nach vier Jahren Arbeit war das Ziel des Vorhabens erreicht. Der Urnenhain war
in seiner Grundstruktur entsprechend den alten Plänen wieder hergestellt. Alle Grabstellen wurden nach dem vorliegenden Belegungsplan und den vorgefundenen Einrichtungen weitgehend wieder sichtbar gemacht. Die Sitzbänke waren repariert.
Das Gelände vollständig entmüllt. Im Herbst und Frühjahr werden Säuberungsarbeiten auch weiterhin durchgeführt, um das Erreichte zu erhalten. Bisher wurden insgesamt ca. 650 Arbeitsstunden geleistet. Dabei wurde die Gruppe jederzeit. wenn notwendig. von der Abteilung Friedhofswesen der Stadt Dessau-Roßlau unterstützt.
Damit die Aktivitäten auch öffentlich bekannt wurden, hat mehrfach die Lokalpresse darüber berichtet. Die Urnenhaingruppe selbst hat einen kleinen Gedenkstein mit einer Inschrifttafel aufgestellt, der die Besucher des Ehrenfriedhofs knapp über der Urnenhain informiert.

Am 30.11.2018 wurde offiziell der Abschluß der Arbeiten feierlich begangen. Der Vorsitzende des Vereins für Anhaltische Landeskunde würdigte in einer Ansprache die geleistete Arbeit.

Der von der Gruppe selbst erdachte und hergestellte Gedenkstein wurde enthüllt.

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe und geladene Gäste waren bei der Einweihung des Gedenksteins anwesend.

Ein Kapitel der Tätigkeit der Gruppe Urnenhain wurde beendet


Es soll aber darauf hingewiesen werden, dass die Gruppe auch anderweitig aktiv wurde.
So wurden auf dem Friedhof III einige Grabanlagen “bearbeitet”, d. h. gesäubert und von Bewuchs freigelegt und zugänglich gemacht.
Das betrifft die Grabanlage von Dr. Heinrich Mohs (6.12.1831-10.10.1902) , dem ersten Krankenhausdirektor in Dessau und Ehrenbürger der Stadt Dessau.
Weiterhin die Grabanlage von Dr. Friedrich Funk (28.5.1817-6.10.1897), einem ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Dessau.
Der Vereinsfreund Hans-Joachim Mellies hat es sich zur Aufgabe gemacht, bei seinen Friedhofsführungen diese verdienten Persönlichkeiten der Stadt Dessau dem Publikum bekannt zu machen.
Und nicht zu vergessen die Säuberung der Grabstellen der sogenannten “Grauen Schwestern”, die aufopferungsvoll im Josephskrankenhaus Dienst taten.

Familiengrabanlage Dr. Heinrich Mohs

Grabanlage Dr. Friedrich Funk, ehemaliger OB der Stadt Dessau

Gemeinschaftsanlage für die “Grauen Schwestern” vom Josephskrankenhaus

Öffentliche Führung über den Urnenhain am 21. Mai 2022

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