Einband der Publikation

Einführung

Georg III. von Anhalt, genannt „Der Gottselige“, wurde am 15. August 1507 als zweitältester Sohn des Fürstenpaares Ernst von Anhalt und und Margarethe, geb. von Münsterberg, im Dessauer Schloss geboren. Als Fürst Ernst 1516 starb, nahm seine Witwe Margarethe die Regentschaft in der Dessauer Herrschaft für ihre noch unmündigen Söhne Johann IV. (1504-1551), Georg III. (1507-1553) und Joachim (1509-1561) wahr.

Sie erzog ihre Söhne noch streng im katholischen Glauben. Und doch hat sich insbesondere Fürst Georg III. um die Reformation in Dessau und Anhalt verdient gemacht. Sein Weg in die Reformation war ein längerer Prozess, der spätestens mit dem Tod der Mutter am 28. Juni 1530 und, zeitlich damit korrelierend, unter dem Eindruck der am 25. Juni 1530 auf dem Reichstag zu Augsburg von den Reichsständen der lutherischen Reformation Kaiser Karl V. dargelegten Augsburger Konfession seinen Durchbruch erfuhr. Georg III. von Anhalt war zugleich Landesherr und Dompropst von Merseburg und Magdeburg, evangelischer Bischof von Merseburg (1545-1549), Freund Martin Luthers und Philipp Melanchthons. Georg war damit der einzige deutsche Fürst, der nach der Reformation offiziell das Amt eines lutherischen Geistlichen bekleidete. Wie seine Brüder stand er in regem Austausch mit den Reformatoren in Wittenberg. Nach Luthers Tod erwarb er zahlreiche Briefe und einige Manuskripte Luthers. Fürst Georg war ein großer Bücherfreund. Seine Büchersammlung ist erhalten und befindet sich heute als „Fürst-Georg-Bibliothek“ zum einen in der Anhaltischen Landesbücherei Dessau (Wissenschaftliche Bibliothek), die seit Februar 2019 Teil des Stadtarchivs Dessau-Roßlau ist, und zum anderen als kriegsbedingt verlagertes Kulturgut in der Russischen Staatsbibliothek Moskau.

In der Fürst-Georg-Bibliothek manifestieren sich das hohe Interesse und die praktische Teilnahme der anhaltischen Fürsten an den politisch-geistigen Auseinandersetzungen ihrer Zeit. Die Schriften der Reformatoren und ihrer Gegner sind darin in seltener Vollständigkeit vereinigt. Die Fürst-Georg- Bibliothek enthält zudem eine repräsentative Auswahl von Büchern nichttheologischen Inhalts, wie sie für das Zeitalter der Reformation und der Renaissance typisch sind. Viele Bücher der Bibliothek zeichnen sich durch besonders kunstfertige und prachtvolle Einbände aus, unter anderem mit in Leder geprägten fürstlichen Initialen und Porträt-Medaillons. Die herausragende Bedeutung der Fürst-Georg-Bibliothek kommt nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck, dass sie eines der Schlüsseldokumente der frühen Wirksamkeit Martin Luthers zu ihren Schätzen zählen kann: die Römerbrief-Vorlesung Martin Luthers von 1515/1516 in Form einer studentischen Mitschrift von Sigismundus Reichenbach. Dieses Exemplar der Römerbrief-Vorlesung wurde im Oktober 2015 in das Weltdokumentenerbe der UNESCO, „Memory of the World“, aufgenommen.

Von der Anhaltischen Landesbücherei Dessau wurde aus diesem Anlass vom 9. April bis zum 9. Juli 2017 im Museum für Stadtgeschichte Dessau die Ausstellung „Schatzkammer der Reformation. Das UNESCO-Dokumentenerbe im Spiegel der Büchersammlung des Fürsten Georg III. von Anhalt“ präsentiert. Die Ausstellung begleitete eine vom damaligen Leiter der Anhaltischen Landesbücherei PD Dr. Adrian LaSalvia konzipierte und vorbereitete wissenschaftliche Konferenz, die unter dem Titel „Bücherwelten der Reformation. Die Bibliothek des Fürsten Georg III. von Anhalt“ am 9. Juni 2017 in der Wissenschaftlichen Bibliothek im Palais Dietrich stattfand. Die Konferenz beleuchtete die herausragende Bedeutung der Bibliothek des Fürsten Georg III. von Anhalt.

Die neun Beiträge dieser Tagung von Andreas Erb (Dessau-Roßlau), Matthias Hamann (Dessau-Roßlau), Tobias Jammerthal (Tübingen), Ernst Koch (Leipzig), Martine Kreißler (Dessau-Roßlau), Austra Reinis (Springfield, Missouri, USA), Maik Richter (Halle (Saale)), Michael Rohleder (Dessau-Roßlau) und Andrea Seidel (Halle (Saale)) werden im vorliegenden Band ergänzt und bereichert durch die beiden Beiträge von Ulrich Köpf (Tübingen) und Holger Nickel (Berlin).

Im Band werden zunächst die historische Entwicklung der Fürst-Georg-Bibliothek, deren ursprünglicher Umfang und deren Zusammensetzung, Fürst Georgs Verhältnis zu und Umgang mit seinen Büchern vorgestellt (Kreißler, Nickel, Rohleder). Die anschließenden Beiträge (Koch, Köpf) würdigen die zentrale Bedeutung des UNESCO-Dokumentenerbes im Kontext der Fürst-Georg- Bibliothek und machen darauf aufmerksam, dass deren Bestände weitere Kostbarkeiten aufweisen, die wie Sigismund Reichenbachs Mitschrift der Römerbrief- Vorlesung Luthers ebenfalls der Frühzeit der Wittenberger Reformation entstammen und durchaus wissenschaftliche Beachtung verdienen.

Die weiteren Untersuchungen des Tagungsbandes befassen sich mit der Wahrnehmung und dem Umgang mit den originalen Zeugnissen des Reformators Martin Luther anhand der Lutherhandschriftensammlung Fürst Georgs (Erb), der Erneuerung der Liturgieordnung für die Magdeburger Metropolitankirche St. Mauritius und St. Katharina am Beispiel des in der Fürst-Georg-Bibliothek erhaltenen „Liber Ordinarius Magdeburgensis“ (Hamann) und den geistlichen Schriften der Fürstin Margarethe von Anhalt (Reinis), sie nehmen Fürst Georg als wissenschaftlich arbeitenden Theologen in den Blick (Jammerthal) und untersuchen die Zeugnisse der lutherischen Kirchenmusik in den Beständen der Fürst-Georg-Bibliothek (Richter) sowie schließlich das geistliche Schauspiel im Dienste der Reformation (Seidel).

Mein Dank gilt allen, die an der Realisierung der Tagungsbandes beteiligt waren. Ganz besonders danke ich Martine Kreißler für ihr sorgfältiges Lektorat. Dem Verein für Anhaltische Landeskunde danke ich für die Bereitstellung wissenschaftlicher Expertise durch Mitglieder des Redaktionskollegiums seiner „Mitteilungen“ sowie für die Aufnahme der Tagungsdokumentation als Sonderband in diese Schriftenreihe. Für die Bereitstellung der finanziellen Mittel für die Realisierung des Bandes danke ich der Stadt Dessau-Roßlau. Nicht zuletzt danke ich den Autorinnen und Autoren für ihre Mitwirkung an der Tagung bzw. für die Bereitstellung ihrer Beiträge für Drucklegung.

Erstmals seit Konrad Haeblers 1923 in Leipzig erschienenem Band „Deutsche Bibliophilen des 16. Jahrhunderts. Die Fürsten von Anhalt, ihre Bücher und ihre Bucheinbände“ wird mit dem vorliegenden Tagungsband wieder eine umfangreiche wissenschaftliche Untersuchung zur Fürst-Georg-Bibliothek vorgelegt. Und doch kann dieser Band nur einige Streiflichter fassen. Zahlreiche Desiderate und Unsicherheiten bleiben, schon allein deshalb, weil die Autorinnen und Autoren dieses Bandes sich bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit allein auf den Teilbestand der Fürst-Georg-Bibliothek stützen konnten, der noch in der Anhaltischen Landesbücherei Dessau vorhanden ist, nicht jedoch den Teilbestand mit einzubeziehen in der Lage waren, der sich heute in der Russischen Staatsbibliothek in Moskau befindet. Die Fürst-Georg-Bibliothek wird deshalb auch weiterhin noch vielfältigste Forschungsmöglichkeiten bieten und so manche wissenschaftliche Überraschung bereithalten.

Dessau-Roßlau, November 2019

Dr. Frank Kreißler
Leiter Stadtarchiv Dessau-Roßlau

Inhaltsverzeichnis

Einführung 5
Martine Kreißler (Dessau-Roßlau) Die Fürst-Georg-Bibliothek 9
Holger Nickel (Berlin) Papierene Gefährten. Georgs Bücher 35
Michael Rohleder (Dessau-Roßlau) Der Catalogus librorum des fürstl. Anhalt: Gesambt=Archivs und andere Quellen zur Bestandsgeschichte der Fürst-Georg-Bibliothek 53
Ernst Koch (Leipzig) Sigismund Reichenbachs Nachschrift von Martin Luthers Vorlesung über den Römerbrief 1515/1516 sowie weitere Nachschriften akademischer Bibelauslegungen in der Anhaltischen Landesbücherei Dessau 59
Ulrich Köpf (Tübingen) Martin Luthers Vorlesung über den Römerbrief von 1515/1516 73
Andreas Erb (Dessau-Roßlau) Schlossgewölbe, Estrich, Schmuckschuber. Die Lutherhandschriftensammlung der Abteilung Dessau des Landesarchivs Sachsen-Anhalt 91
Matthias Hamann (Dessau-Roßlau) Der Liber Ordinarius Magdeburgensis und seine Rezeption bis zum Fürsten Georg III. von Anhalt 105
Austra Reinis (Springfield, Missouri, USA) Die geistlichen Schriften der Fürstin Margarethe von Anhalt (1473-1530) 123
Tobias Jammerthal (Tübingen/Rauschenberg) Die geistlichen Schriften der Fürstin Margarethe von Anhalt (1473-1530) „Mit anzeigung der vornemstenn argument“ 159
Maik Richter, Halle (Saale) Fürst Georg III. von Anhalt und die lutherische Kirchenmusik im Zeitalter der Konfessionalisierung 189
Andrea Seidel, Halle (Saale) Joachim Greff und die Inszenierung des Reformationsdramas 201
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